Bestsellerfressen

„Zabibah und der König“ von einem Autor, der ne Überraschung sein möchte

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Das hat Gutenberg aber
bestimmt nicht gewollt
 
„Zabibah und der König“ von einem Autor,
der ne Überraschung sein möchte
 
Meine Damen und Herren!

„‚Es war einmal.’
So begannen auch die Geschichten einer alten Frau in unserem Dorfe. Ich nannte sie Großmutter. Sie war klug und weise, und die Dörfler suchten sie oft auf, um sich Ratschläge und Lebenshilfen von ihr geben zu lassen. Auch in der Heilkunst war sie bewandert.“
Okay. Fängt n bisschen langweilig an. Wird aber noch härter! „Und eines Tags erzählte sie folgende Geschichte:
‚Es war einmal ein sehr mächtiger König, und alle Menschen verneigten sich vor ihm. Selbst Könige, die nicht seinem Geschlechte angehör­ten, verneigten vor diesem Herrscher das Haupt.’
An dieser Stelle unterbrach Großmutter ihre Erzäh­lung, denn es gab ja zwischendurch immer etwas zu tun im Haus.“
Hm. „Nach einer Weile nahm Großmutter ihre Erzäh­lung wieder auf.
‚Bisweilen’, so fuhr sie fort, ‚fühlte sich der König in seinem Palast sehr einsam. Dann unternahm er mit seinem Pferd Ritte in die Umgebung.’“

Okay.
Ich kürz dat jetzt ab!
Da ist also ein mächtiger König, der in mächtig viel Schweinekohle, Gold und Dukatenzaster schwimmt und auf ’nem Pferd Ritte in die Umgebung unternimmt, weil er sich biswei­len in seinem Palast sehr einsam fühlt. Häh? Richtig, hatten wa schon. Jedenfalls steht er mit seinem Pferd plötzlich mitten inner Kneipe und ... nee, Quatsch, war ’n Scherz, also:
steht er mit dem Pferd plötzlich „vor einer sehr, sehr armen Hütte.“
Und weiter geht’s:
„’Als der König vor der Hütte stand, trat eine wun­derschöne junge Frau in der Blüte ihrer Jahre aus der Tür.“ An den Jargon mußt ich mich auch erst mal gewöhnen! Nach 2 Seiten macht einem das aber nix mehr aus. „Der König, wie geblendet von der Schön-
heit, fragte sie nach ihrem Namen. ‚Zabibah’, sagte das Mäd­chen und verneigte sich tief vor dem König.’
An dieser Stelle schweifte Großmutter wieder ab und meinte, daß die Bewohner von Palästen, die mit allem möglichen Luxus vollgestopft sind, schnell den Sinn fürs Wesentliche verlieren und sich nur an Äußerlich­keiten klammern.
Hm. Denn wer sich mit zuviel Luxus umgibt, verliert seinen Geschmack und sich selbst. Was immer das auch heißen soll. Und gedeihen nicht Körper und Seele am besten in natürlicher Umgebung, wo die Luft frisch und gesund ist?“ Ja, natürlich. Nur daß der Kopp meistens drunter leidet. Ein Satz noch, meine Damen und Herren: „Wir Kinder freilich wollten Großmutters Weishei­ten nicht hören, sondern lieber wissen, wie es mit Zabibah weiter ging.“
Ähm, möglicherweise wollen Sie ja auch unbedingt wissen, wie es mit Zabibah weiter ging. Aber zuvor verrate ich Ihnen erst mal den Namen des Dichters, den Namen des gefühlvollen Schöpfers dieser ausgebuff­ten Materialismus-Kritik!
Herrschaften, festhalten!
Und zwar ist es kein geringerer als Herr...
Saddam Hussein!
Yeah!
„Zabibah und der König“ von Saddam Hussein!
Tja, da sind se platt, wa?
Schön. Denn jetzt mach ich Sie noch platter!
Im Vorwort zu dieser hinterhältigen Massenvernichtungswaffe fragt der deutsche Herausgeber, der sein Zabibah-Glück kaum fassen kann:
„Ein Roman aus der Feder von Saddam Hussein?“
Und antwortet auf seine eigene, hochwohlgeborene Frage wie aus der Räuberpistole geschossen:
„Ja, in der Tat, und sein Roman sagt vieles über den Mann aus, der 24 Jahre lang die Alleinherrschaft über sein Land ausübte, über sein Denken, seine Ge­fühle, seinen Charakter.“
Ja. Und nicht zu vergessen über seine Großmutter, den großen König und das große Pferd von dem König.
Doch damit nicht genug, meine Damen und Herren, denn so spricht der Verleger weiter:
„Dem CIA diente das Buch als ‚Fenster’ in den Kopf des irakischen Ex-Diktators. Als ‚Zabibah und der König’ im Original erschien und dem CIA in die Hände gespielt wurde (? bzw. !), ließ der amerikanische Geheimdienst das Werk drei Monate lang analysieren. (??? bzw. !!!). Ein führender CIA-Beamter meinte dazu: ‚Ein raffi­niert geschriebenes und intelligentes Buch, das einen bis zur letzten Seite fesselt.’“
Ja.
Apropos: Ich mein’, hätten die amerikanischen Folterspezialisten in Abu Ghraib, statt postmodernste Fotos zu schießen, ihren Irakis drei Monate lang nonstop „Zibabah und die 40 Räuber“ vorgelesen, wär wahrscheinlich mehr bei rumgekommen.
Und obendrein müßten die armen Amis jetzt da unten nicht sensibel zwischen Sunniten- und Schiiten-Scheiße unterscheiden. Fürwahr eine große Aufgabe! Ich könnt’ dat nich’.

Bleibt nur noch eine Frage: Wie heißt dieser mutige Verlag, der uns so wunderbar beschenkte? Nun, es ist die faszinierende, junge, aufstrebende & flexible Kleinganovenklitschen-Ich-AG aus Bayern mit dem Na­men „TB-Verlag“, eine winzige, stinkbanale Ein-Mann-‚Schnapp-die-Kohle-und-nix-wie-weg’-GmbH, die sich allerdings weniger auf internationale Massenmörder-Prosa spezialisiert hat, als vielmehr im Normalfall mit solchen Klamotten hier hausieren geht:
„Blumenzauber – Stilvolle Arrangements für alle Jahreszeiten“
oder:
„Glamour – Imposante Interieurs von Luxus bis Exotic“.
Oder auch:
„Kasinos – Reisen durch die schönsten Kasinos der Welt“.
Aber auf einen Titel, meine Damen und Herren, können se bei diesem Verlag – glaub ich – lange warten. Nämlich auf den Titel:
„Erdlöcher – Einfach wohnen in den besten Verstecken der Erde.“
Danke schön.

Mai 2004