Alleingelassen auf Gleis Drei

Le-Thanh Ho – „Elephant“

von Frank Becker

Alleingelassen auf Gleis Drei
(Ich kaufe Träume am Bahnhof und laufe weiter geradeaus …)
 
Autobiographisch - und das sogar unverblümt - seien die Lieder des Debüt-Albums der in München geborenen Wahlberlinerin Le-THanh Ho, verrät ein Pressetext über die neun von ihr geschriebenen Titel, veritable Chansons notabene, die sie uns auf ihrer durchweg auch selbst komponierten CD „Elephant“ vorstellt. 2013 wurde sie mit dem Chansonnachwuchsraben des Chansonfest Berlin ausgezeichnet – und man kann bereits beim ersten Anhören die Entscheidung der Preisrichter durchaus nachvollziehen. „Aus den Textfragmenten, Gedichten, Traumnotizen und Gedanken, die ich seit Jahren in Büchern festhalte, kristallisieren sich Themen heraus: Heimatlosigkeit, Einsamkeit, Verlorenheit, Schwermut. Und immer wieder diese Wut, die es mir möglich macht, mich gegen all das aufzulehnen“, wird sie zitiert. Das zu lesen macht hingegen recht traurig, scheinen Biographie und Seelenlage der 28 Jahre alten Künstlerin, die als Schauspielerin ausgebildet ist, einige harsche Klippen und tiefe Abgründe zu haben.

So erzählt „Zellophan“ gleich zu Anfang von einer verhängnisvollen Abhängigkeit, offenbart der „Elephantenwalzer“ Angst und Entwurzelung und die graue Ballade auf ihre Wahlheimat Berlin mit einem Seitenhieb gegen die unsterbliche Hildegard Knef und deren kritisch lebensbejahende Sicht auf Berlin in „Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen“ wird in Le-Thanhs „Berlin, dir fehlen Sommersprossen“ zum tristen Abgesang. Alleingelassen, betrogen, verletzt, verzweifelt – Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit, Trauer und Tod, Angst und Verlust sprechen aus allen Texten. Das zieht schon ordentlich runter, wobei der letzte Text, auch wenn er „Gift“ heißt, in der suizidalen Grundstimmung einen leisen Hauch von Hoffnung birgt. Es ist noch nicht alles verloren.
Wenn auch fast schon von expressionistisch negativer Weltsicht und gelegentlich etwas floskelhaft in ihrer schwermütigen Lyrik überzeugt Le-Thanh Ho durchweg musikalisch hochwertig und beachtlich im Vortrag. Das Ensemble an ihrer Seite gibt ihrer klangvollen Stimme in den Arrangements des dänischen Gitarristen Flemming Borby die abwechslungsreiche, passende Kulisse. Drücken wir Le-Than die Daumen für eine positive Wendung im Leben, nicht zuletzt, damit wir uns beim nächsten Album mit ihr über Liebe, Glück, Blumen und Zufriedenheit freuen können.

Le-Thanh Ho – „Elephant“
© 2015 Focus
Le-Thanh Ho (Gesang, Kompositionen, Texte, Glockenspiel, Stylophon) – Flemming Borby (Gitarren, Arrangements) – Manuela Mocanu (Viola) – Hada Benedito (Klavier) – Alex Bayer (Bass) – Rich Millin (Schlagzeug)
 
Titel: 1 Zellophan - 2 Elephantenwalzer - 3 Berlin, dir fehlen Sommersprossen - 4 Regen - 5 Die Glasmenagerie - 6 Zypern - 7 Schachmatt - 8 Deine Melodie - 9 Gift
Gesamtzeit: 46:57
 
Weitere Informationen: www.bscmusic.com  -  www.le-thanh.de