Aus Anlaß des 100. Geburtstags des bayrischen Politik-Giganten
Franz Josef Strauß wiederholen wir heute einen Beitrag vom
31. Juli 2012
Alle Greuel der Hölle!
oder Ich kenne die Sprache des Volkes. Der Münchner Antje Kunstmann Verlag hat sich in der jüngeren Vergangenheit bereits mustergültig in O-Ton und Kommentar einiger politischer Größen vom Kaliber eines Helmut Schmidt, Herbert Wehner, Edmund Stoiber und - Gottogott - Heinrich Lübke (vergriffen) angenommen. Ein wirklicher weißblauer Gigant fehlte bisher in der Sammlung: Franz Josef Strauß (1915-1988). Dem ist jetzt abgeholfen. Mit einer wahrhaft üppig ausgestatteten Doppel-CD inklusive 24-seitigem Beiheft hat Jürgen Roth dem Phänomen Strauß nachgespürt, macht den verbalen Riesen in seiner Raffinesse, seiner Vierschrötigkeit und seiner filigranen Kunst der Beleidigung hör- und greifbar. Er hat sich dabei bewährt des Sprechers Gert Heidenreich versichert und als Strauß-Double des Kabarettisten Gerhard Polt, der dem Original in Grobheit durchaus das Wasser reichen kann. Der Kabarettist Helmut Schleich - der beste FJS-Parodist, weit vor Thomas Freitag - wäre da durchaus auch eine gute Wahl gewesen. Als Franz-Josef Strauß am 3. Oktober 1988 (dem Tag der deutschen Einheit, notabene) starb, wurde ihm ein Leichenbegängnis zuteil, wie es Bayern seit der Beerdigung des Märchenkönigs Ludwig II. nicht gesehen hatte und sicher auch nicht wieder erleben wird. Wer wurde da zu Grabe getragen, was machte die unglaubliche Popularität und Faszination dieses Mannes und Politikers aus, dessen Fehl und Tadel allgegenwärtig war? Jürgen Roth läßt Zeitzeugen aufmarschieren, politische Gegner und Weggefährten, legt Dokumente vor, zitiert Zeitungen und Interviews, die Strauß einem politischen Chamäleon nicht unähnlich präsentieren, und letztenendes demaskiert er den außergewöhnlich intelligenten Bajuwaren mit brauner Vergangenheit als skrupellosen Demagogen. Ein Glücksfall ist dabei wieder die ruhige Stimme Gert Heidenreichs, der es wie kein zweiter versteht, Jürgen Roths süffisanten, kompromißlos decouvrierenden Plan seriös zu Ohren zu bringen. Strauß wird nicht diffamiert, das überläßt Roth süffisant dem gefürchteten Marathon-Redner selbst. Der Machtmensch, der es in den 1960er Jahren zum Bundesverteidigungsminister und zum Bundesfinanzminister gebracht hat, der als Ministerpräsident in Bayern mit nahezu royalen Würden ausgestattet wurde und der mit den Mächtigen der Welt Umgang pflegte, hat sein großes Ziel nie erreicht: Bundeskanzler zu werden. Das Talent dazu kann ihm nicht abgesprochen werden, doch standen dem letztlich wohl zu viele Affären, Verdachtsfälle, Entgleisungen, Skandale und der gerichtsnotorische Geruch der Korruption entgegen. Nur einige Stichworte: FIBAG, Onkel Alois, Starfighter, Spiegel - wem´s nicht genügt, kann auf viele andere Peinlichkeiten und Lügen des stiernackigen Wendehalses zurückgreifen. Wer wollte heute noch bestreiten, daß der Held aller bayrischen Bierzelte, der Kommunistenfesser, Tatsachenverdreher, Einserabiturient und angebliche Demokrat mit brauner Vergangenheit eine der dubiosesten Gestalten der westdeutschen Nachkriegspolitik war. Ein gefährlicher Mann, dessen Bild im politischen Bewußtsein langsam verblaßt, war er - umso wichtiger ist zur Aufklärung gegen die Verklärung dieses Hörbuch. Dafür bekommt es die Auszeichnung der Musenblätter: den Musenkuß. Jürgen Roth - "Franz Josef Strauß" - Ein Portrait in Originaltönen (mit Gerhard Polt) © 2012 Antje Kunstmann Verlag - 2 CDs mit 158 Minuten - (1:17:26 und 1:18:31)
Weitere Informationen: www.kunstmann.de |