Ich möchte ein Glanz werden

Tinka Fürst stellt vor: „Das kunstseidene Mädchen“

von Frank Becker

Foto © Sebastian Eichhorn
Ich möchte ein Glanz werden
 
Tinka Fürst stellt vor:
„Das kunstseidene Mädchen“
von Irmgard Keun
 
Es ist eine der delikatesten Disziplinen im Theater: Theater auf dem Theater - bzw. wenn Schauspieler Schauspieler spielen. Tinka Fürst, seit 2014 Ensemblemitglied im Wuppertaler „Theater am Engelsgarten“, hat sich das für ihre „Visitenkarte“ vorgenommen, mit der sie sich am 25. September nach diversen Ensemblestücken auch solistisch dem Publikum präsentieren möchte. Obwohl „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun zu den beliebtesten und entsprechend häufig interpretierten Vorsprech-Monologen für Schauspielerinnen gehört, in etlichen Bühnenfassungen existiert und in nahezu unzählbaren Versionen bereits im Internet zu finden ist, hat sich die Berlinerin aus Charlottenburg für diesen Stoff entschieden, weil sie sich und ihre Heimat darin hautnah wiedergefunden hat: Tauentzien, KaDeWe, Wittenbergplatz, Lietzenburger, Gedächtniskirche, Augsburger Straße, Kufürstendamm…
 
Seit 1931/32, als Irmgard Keuns Tagebuch-Roman über die Schauspiel-Elevin Doris entstand und erschien, haben die Zeitläufe Berlin einschneidend verändert, die Stadt verwüstet, geteilt und wieder aufgebaut. Der Charakter von Spree-Athen und seiner Boheme aber, den Irmgard Keuns Roman ebenso atmet wie die zur selben Zeit entstandenen Romane Herz über Bord und Zum Theater“ von Lili Grün, ist erhalten geblieben. Wie Ende der 20er Jahre ist Berlin auch heute wieder eine „Boom-Town“, in der man den Puls der Zeit fühlen kann. Deshalb haben Tinka Fürst und Ihre Regisseurin Helene Vogel sich entschlossen, den Stoff von Irmgard Keuns Roman und die Figur der Doris ins Heute zu übertragen. Wie könnte das Bestreben des Mädchens, das unbedingt Schauspielerin werden will, das als armer Leute Kind beschlossen hat „Ich möchte nicht mehr zu den Tiefsten gehören!“ in Zeiten von Internet, Facebook, Youtube, Instagram und Twitter in unseren Tagen aussehen? Wie sich Doris 1932 den Herren präsentierte und in Liebeleien andiente, durch deren Hilfe – sprich Geld und Einfluß – sie sich eine Karriere versprach, hat seinen Inhalt gewiß nicht geändert, doch die Form könnte durch die neuen Medien durchaus wesentlich anders aussehen. Das haben Tinka Fürst und Helene Vogel ins Kalkül gezogen und ihre „Doris Plischke, Nickname Dodo“ in wochenlanger Vorarbeit mit einem „realen“ Facebook-Account (https://www.facebook.com/Doris-Plischke-775232862594019/timeline/)  und einem Youtube-Video (https://www.youtube.com/watch?v=3mANHv2c0Lk) ausgestattet. Dodo baggert darin, wie es heute viele junge Leute tun, um Hilfe, Unterstützung und vermeintliche Freundschaft und Liebe – denn recht viele „Likes“ und „Gefällt mir“ sind die erste Stufe auf dem erhofften Weg zum Erfolg.


Tinka Fürst ist Doris Plischke - Screenshot © Sebastian Eichhorn
 
Tinka Fürst, eine überzeugende und charismatische Schauspieler-Persönlichkeit, vermittelt im Pressegespräch regelrecht sprühend ihre vollständige Identifikation mit der Protagonistin und Tagebuchschreiberin Doris. Das ist der Boden, auf welchem das Publikum ein literarischer Bühnenabend von Rang erwartet, der in etwa 80 Minuten auch durch die Live-Projektion von Dodos Netz-Aktivitäten Irmgard Keuns Klassiker bei der Bewahrung von Inhalt und Botschaft in eine moderne Form bringt. Junge Zuschauer werden zum Teil sich selbst und ihre mediale Welt wiederfinden, Besucher ohne den intensiven Zugang zu den „sozialen Netzwerken“ werden eine Menge Interessantes und Neues erleben. Ein neugierig machendes, spannend konzipiertes Projekt. Es sind noch einige Karten für die Premiere zu haben.
 

Tinka Fürst ist Doris Plischke - Screenshot © Sebastian Eichhorn

Premiere: 25. September, 19.30 Uhr
Theater am Engelgarten – Engelsstraße, 42283 Wuppertal
 
Weitere Informationen und Termine: www.wuppertaler-buehnen.de