Kraftvoller Anschlag nimmt Zuhörern den Atem

Furioser Auftakt des Bayer-Klavierzyklus mit „stART“-Künstlerin Tamar Beraia

von Daniel Diekhans

Foto © Julia Wesely

Dieser kraftvolle Anschlag nimmt dem Zuhörer den Atem
 
Furioser Auftakt des Bayer-Klavierzyklus
mit „stART“-Künstlerin Tamar Beraia
 
Programm:
Ludwig van Beethoven (1770-1827) „15 Variationen mit Fuge Es-Dur op. 35 – Eroica-Variationen“
Claude Debussy (1862-1918) „Clair de lune“
Luciano Berio (1925-2003) „Luftklavier“
Claude Debussy „Feux d’artifice“
Luciano Berio „Wasserklavier“
Claude Debussy „Reflets dans l’eau“
Luciano Berio „Feuerklavier“
Manuel de Falla (1876-1946) „Danza ritual del fuego“
Maurice Ravel (1875-1937) „Jeux d’eau“ - „Gaspard de la nuit“
 
Die Pianistin Tamar Beraia ist das neue Gesicht von „stART“, dem Förderprogramm von „Bayer Kultur“. Ihren Einstand als „stART“-Künstlerin gab die junge Georgierin, deren vielgelobtes Debüt letztes Jahr erschien, beim Eröffnungskonzert des Bayer-Klavierzyklus in der Wuppertaler Stadthalle. Im gut gefüllten Mendelssohn-Saal stellte sich eine Virtuosin vor, deren Anschlag einem den Atem nehmen kann. So kraftvoll und energisch ist er. Genau diesen Anschlag braucht es, um Beethovens „Eroica-Variationen“ zu spielen. Allein der Auftaktakkord wirkte wie ein Fanal. Pianissimo ging es weiter. Doch ließ die Spannung keine Sekunde nach.
Die Pianistin stellte die Baßlinie des Themas aus, fügte gekonnt eine zweite, dritte, vierte Stimme hinzu. Bei jeder Wendung hatte sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer. Die Krönung war die Fuge, die Bereia ebenso leidenschaftlich wie technisch perfekt zum Leuchten brachte.
Erde, Wasser, Luft, Feuer – die vier Elemente waren das Thema dieses Konzertabends. Dabei lotete die Pianistin einen Klangkosmos aus, der von Beethoven bis Berio reichte. Wenn die „Eroica-Variationen“ das Feuer entflammten, dann wirkte Debussys „Clair de lune“ wie die passende Abkühlung. Hier gab es kein kühnes Überkreuzspiel von Bass bis Diskant. Beraia hielt sich stattdessen in der mittleren Lage auf. Die rechte Hand spielte die Hauptrolle, während die linke für eine schwebend-luftige Begleitung sorgte.
Luciano Berios Klavierminiaturen trugen die Elemente direkt im Titel. Das Thema von „Luftklavier“ umspielte Beraia raffiniert mit immer neuen Tongirlanden. Der verhaltene Schönklang des „Wasserklaviers“ zeigte die Bewunderung des Komponisten für die Romantik. „Feuerklavier“ ging dagegen mit Tremolofiguren – von Beraia mit Leichtigkeit beherrscht – aufs Ganze.
 
In seine „Jeux d’eau“ (Wasserspiele) arbeitete Maurice Ravel eine ganze Reihe ungewöhnlicher Akkorde, Glissandi und Triller ein. Kein Grund allerdings für die Interpretin, um auf Nummer Sicher zu gehen. Munter ließ sie Kaskaden und Springbrunnen sprudeln und bekam dafür verdient einen Extraapplaus.
Daß sich Beraia danach an Ravels „Gaspard de la nuit“ herantraute, war da nur konsequent. Die Arpeggien der Wassermusik „Ondine“ ließ sie in den schönsten Farben funkeln. Hell und rein klang das Ostinato, das sich wie eine einsame Glocke durch „Le gibet“ zog.
Und bei „Scarbo“, der Tour de force des Zyklus, war er wieder da – der wuchtige, präzise Anschlag, mit dem Beraia rasend gespielten Noten und Tonleitern den Klang einer unaufhaltsamen Naturgewalt verlieh.
Dieses Powerplay gibt es in der nächsten Spielzeit vielleicht sogar im Doppelpack zu hören. Denn nach dem Konzert sagte Tamar Beraia, sie könne sich gut vorstellen, einmal mit ihrer Schwester Natia als Klavierduo bei „Bayer Kultur“ aufzutreten.
 
Weitere Informationen unter: www.kultur.bayer.de und www.stadthalle.de