210 Jahre Städtische Krankenhäuser Köln (1)

Eine kleine rheinische Gesundheits-Chronik

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
210 Jahre Städtische Krankenhäuser Köln (1)
 
1805, meine sehr verehrten Damen und Herren, war ein einschneidendes Jahr in der Geschichte der wunderbaren Stadt Köln in - mindestens - zweierleier Hinsicht:
am 21. Juni 1802 hatte man den Lutheranern die Antoniterkirche in der Schildergasse überlassen. Die haben erstmal drei Jahre umgebaut – vom normalen Glauben zum Protestanten, wat natürlich ein Haufen Arbeit ist: erstmal entweihräuchern, dann Heiligenbilder weg, Weihwasserbecken, Weihrauchfässchen, Messgewänder, alles eraus und Bäffchen rein und so weiter und so fort – dann aber, 1805, ist die Kirche in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde übergegangen, das waren zwar nur 800 Mann, aber immerhin, und am 19. Mai 1805 fand hier der erste evangelische Gottesdienst statt, ein Wort, an das sich ab da die Kölner erstmal gewöhnen mußten.
Das zweite wichtige Ereignis in diesem Jahr unter Oberbürgermeister Johann Jakob von Wittgenstein, den die Franzosen quasi übernommen haben, was nicht allen Kölner recht war, war, daß die säkularisierten Klöster St. Cäcilien und St. Michael in Krankenhäuser ‚umgewidmet’ wurden. Und das kam so:
Als Napoleon im Oktober 1794 noh Kölle kohm, hat er sich nicht nur um Hausnummern gekümmert, er hat z.B. auch gesehen, daß das Krankenhauswesen noch sehr traditionell strukturiert war, also seit dem Mittelalter hat sich da nicht mehr viel getan. Die Kirchen und die Ordensgemeinschaften kümmerten sich um die Kranken und Siechen und die städtischen Institutionen waren im Prinzip kleinere Häuser, in denen ein ziemliches Durcheinander von Alten, also eher armen Alten, Irren und dazwischen ein paar akut Kranken herrschte. Man war noch nicht dazu gekommen, da ein bißchen Ordnung ereinzubringen, von einer vernünftigen Kooperation aller städtischen, universitären, kirchlichen und privaten Einrichtungen mal janz zu schweigen.
Jetzt hat der Napoleon natürlich direkt gesehen: Krankenhäuser braucht jede Stadt, auch Köln, aber er sah auch den Zustand dieser Häuser und wußte: dat koss Jeld! Also wollte er sich – ich meine: vorausschauend war er ja schon! – dat ganze Krankenhauswesen erst gar nicht ans Bein binden.
Er war grad am Säkularisieren wat dat Zeug hält, hat also einen Orden nach dem anderen in Köln aufgelöst, die Orden aber, die sich der Krankenpflege verschrieben haben, die hat er bestehen lassen. Nur: das wäre nur die halbe Miete gewesen, wenn man das mal unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis sieht, weil: da waren ja noch die Klöster, die man für diese Zwecke ja auch umbauen musste, von den zu erwartenden laufenden Betriebskosten janz zu schweigen. Also hat er erstmal neue Strukturen geschaffen: er hat das Bureau bienfaisance und das Bureau des hospices geschaffen – die Armenverwaltung und die Verwaltung der Hospitäler. Übrigens schreibt der Brockhaus von 1833 unter dem Stichwort „Armenwesen“ einen bemerkenswerten Satz, gleich am Anfang: „Die Armuth ist die Mutter der Künste, aber auch ein Verderben der Staaten. Ein Staat, in dem es viele Arme gibt...kann darin den unumstößlichen Beweis sehen, daß seine Einrichtungen...fehlerhaft sind.“
Bemerkenswert vorausschauend, möchte ich mal sagen.
Die neue staatliche Armenverwaltung hat nun die ganzen Gelder der Säkularisierung bekommen – also dat, wat der Napoleon davon übriggelassen hat - und obendrein bis 1821 die Einnahmen der Lustbarkeitssteuer, die alle Maskierten zu zahlen hatten, wenn sie denn maskiert durch Köln laufen wollten, das Pappnasengeld sozusagen. Also ganz erhebliche Einkünfte, was diese Institution unabhängig von der Stadt machte und den dort Tätigen das Gefühl gab, was Besseres zu sein. Das zeigten sie auch gleich bei der ersten großen Aktion:
als nämlich am 30. Messidor des Jahres XIII – ob das der 19. Juni 1805 war, wie die Chronik zur Geschichte der Stadt Köln sagt, oder ob das der 19. Juli 1805 war, wie mir der Dr. Moll gesagt hat, weiß ich nicht, weil der Dr. Moll aber Arzt ist und zwar Urologe und weil ab 50 die Urologen für Männer ganz besonders wichtig sind, glaube ich natürlich dem Dr. Moll, dem muß ich die anderen Sachen über mich ja auch glauben also warum nit och dat Datum – als also am 19. Juli 1805 der Napoleon das Dekret erlassen hat, daß die Klöster St. Cäcilien und St Michael der Hospitalverwaltung zur Aufnahme erkrankter Bürger und Soldaten geschenkt werden, sind die Herren der Armenverwaltung und der Hospitalverwaltung zur Behörde nach Aachen gefahren, ohne dem OB von Wittgenstein auch nur ein einziges Wort davon zu sagen, haben sich da die Urkunde abgeholt und davon, als sie wieder zurück waren, den Oberbürgermeister mit einem Briefchen in Kenntnis gesetzt. Wie der sich darüber gefreut haben muß, kann man sich lebhaft vorstellen!
 
Neben weltlichen Pflegern waren da übrigens Augustinerinnen eingesetzt – man hat den weltlichen doch nicht so ganz über den Weg getraut und billiger waren die Nonnen auch! Das war nun das sogenannte alte Bürgerhospital, von dem, was wir heute unter Krankenhaus verstehen, allerdings immer noch meilenweit entfernt. Zu klein, zu eng und zu durcheinander, das bringt es wohl auf den Nenner. Aber dat hat man davon: mit dem Bürgerhospital ist ja nicht nur eine neue Institution in Köln entstanden, mit dem Bürgerhospital hat man auch ehrwürdigen alten Heilmethoden beinahe systematisch den Abschied gegeben. Wat war dat doch früher im normalen Glauben wunderbar: für jede Krankheit war ein Facharzt da, sozusagen, also ein Heiliger, was weiß ich:
Angina meinshalben, was ja früher eine lebensgefährliche Krankheit war, wo damals kein Arzt helfen konnte. Kein Thema für der normale Glauben: am 3. Februar in die Kirche, sich den Blasius-Segen geholt mit den zwei Kerzen am Hals und das Jahr war anginamäßig gelaufen! Daß er daneben auch der Schutzheilige gegen Gewissenbisse ist: noch besser, waren die auch weg, falls man welche hatte! Und er ist auch einer der Schutzpatrone der Ärzte, sind die bei der Angina auch aus dem Schneider. Sie sehen, wie umfassend das Schutz- und Therapiesystem im normalen Glauben angelegt war, also da kann der Protestant oder überhaupt: das gesamte Gesundheitswesen, egal wie reformiert oder reformbedürftig es sein mag, ja nur träumen! Gegen Armut übrigens hilft die Hl. Lucia und wenn die Franzosen nicht so weltlich gewesen wären und antiklerikal, hätten sie sich auf die Hl. Lucia berufen können, dann hätten sie sich vielleicht die ganze Armenverwaltung sparen können. Ejal. Also: es war schnell klar, daß es für eine wachsende Stadt wie Köln mehr braucht. Jetzt hat das Bewusstsein, daß die Regierungen, auch die kommunalen, eine Verantwortung für die Volksgesundheit haben, im 19. Jahrhundert sehr schnell zugenommen. Die Städte bekamen ein neues Selbstbewußtsein, also: die anderen Städte, weil: Köln hatte das immer schon, dazu gehörte, daß man auch beim Bau von Krankenhäusern eher an repräsentative Gebäude dachte als an Klein-Klein-Lösungen. So entstand unter der architektonischen Leitung des Stadtbaumeisters Johann Peter Weyer der sogenannte „Gesundheitspalast“, der 1847 online ging, äh eingeweiht wurde. Das war aber auch ein Gebäude – mein lieber Herr Gesangsverein. Ein richtungweisender Bau im Korridorstil, die kölsche Charité quasi. Da kamen nun die Cellitinnen ins Spiel, denen die Stadt Köln in herausragender Weise zu Dank verpflichtet ist. Weil: was die Cellitinnen alles für das Krankenhauswesen in Köln getan haben ist einmalig. Bis 1970 waren sie unermüdlich tätig und der Beigeordnete Krautwig hat einmal den denkwürdigen Satz gesprochen: „Stell mal 3 Cellitinnen hin, hässe morje e neu Krankehus!“. In seiner Tätigkeit im Bürgerhospital, dem neuen also, haben sich die Cellitinnen nicht nur karitativ und pflegerisch betätigt, sie haben sich in diesen Jahrzehnten zum modernen Kranken-Pflegeorden entwickelt und damit maßgebliche Impulse gesetzt. Erst 1970 endete ihre Ära im Kölner Gesundheitswesen mangels Nachwuchs. Aber vergessen sind sie nicht.
 
Wenn Ihnen das, was ich Ihnen über das Krankenhaus-Wesen in Köln erzählt habe, gefallen hat, lesen Sie doch nächste Woche Dienstag an dieser Stelle weiter. Dann erzähl ich Ihnen noch ein bißchen mehr.
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher   
 
 Redaktion: Frank Becker