Berufsgruppen

von Erwin Grosche

Berufsgruppen
 
Ich finde immer noch, daß Lehrer aus ehemaligen schlechten Schülern rekrutiert werden sollen, damit in die Schule der Respekt vor dem Scheitern zurückkehrt. Eine Schule in den großen Ferien: Ein Gebäude atmet auf.
     Wenn wir alle Ärzte werden würden, wären wir doch viel weniger krank. Mein Zahnarzt hat Angst vor dem Zahnarzt. Da muß ich immer mit. Ich sage immer: „Sie haben noch Glück, daß Sie nicht zu sich selbst müssen, da würden Sie Ihr blaues Wunder erleben.“
„Sie brauchen Bewegung“, sagte mein Arzt und schickte mich zum Teufel.
     Fahrlehrer erwecken oft den Eindruck, als hätten sie ihre Mitreisenden entführt und würden sie bei der nächsten falschen Bewegung aus dem Auto schmeißen. Schöne Grüße vom Getriebe, meine Liebe.
     „Ich finde, daß die Arbeit von Bauarbeitern reichlich überschätzt wird“, sagte der Bäcker. Der Angsttraum eines Architekten: In dem Haus wohnen zu müssen, welches er selber konstruiert hat. Natürlich könnte ich Ihnen dort ein Fenster hinmachen lassen, aber was Sie dann dort sehen, das ist echt, das wird Sie ziemlich finster drauf kommen lassen.
     Gerade Geheimdienstler sollten ein wenig diskreter auf treten. Daß man überhaupt weiß, daß es den Geheimdienst gibt, ist im Grunde schon ein Versagen. Sah ich jetzt ein Riesenauto durch die Stadt eiern, auf dem stand in Riesenbuchstaben: GEHEIMDIENST. Da dachte ich auch, denen geht es aber echt zu gut. Die haben jetzt alles herausgekriegt und können den dicken Max markieren. Und dann schaute ich nochmal hin und dann stand nur HEIMDIENST auf dem Lkw und zwar nicht von einer Getränkefirma, die direkt und diskret nach Hause liefert, sondern als Werbung von einem cleveren Augenarzt.
     „Wer nichts wird, wird Wirt / oder geht zum Fernsehen, / er kann auch zum Stern gehn / als Enthüllungsjournalist, / wo er am Enthüllen ist: / Wer nichts wird, wird Wirt oder geht … usw.“
     Früher war Lokustieftaucher ein Schimpfwort, heute ist es ein angesehener Beruf. Bei dem Wort Politiker ist es genau umgekehrt. Als Kind wollte ich immer Boxenluder werden, aber da wußte ich noch nicht, welche Vorkenntnisse man für diesen Beruf mitbringen mußte.    
     Leute, wir müssen unser Hausmeister-Klischee überdenken, sonst rückt der nicht die Schlüssel für die Durchfahrtpömpels raus, und wir müssen unseren Kram ganz alleine an seinem Hausmeisterhäuschen vorbeischleppen. „Herr Hausmeister, ich wollte Ihnen nur sagen, wie notwendig Ihre Arbeit für das Gemeinwohl ist.“ „Selten so gelacht, Kleiner, und jetzt fährst du deinen Wagen weg. Dort kann er nämlich nicht stehen bleiben.“
     Die Politesse darf sich nicht wundern, wenn man sie nicht mag. Gerade, wenn man seinen Wagen für eine Viertelstunde geparkt hat, und das schon seit drei Stunden. Also bitte, man bestraft niemanden, dessen Zeit abgelaufen ist.
     So wie der Müllfahrer, der durch das Herausschmeißen seiner Zigarettenkippe seinen eigenen Arbeitsplatz sichert, so sichert der Polizist durch seine eigenen Übergriffe seine Berufsgruppe. Im Grunde braucht auch er einen Polizisten.
     Bademeister ist ein schöner Beruf. Ich finde, alle sollten mal Bademeister sein dürfen, dann wären die auch freundlicher.
     Ich bin Computerspezialist, wenn mein Computer brennt, dann drück ich auf „Löschen“. O.k., löschen!
     Ich empfinde es immer noch so, daß die Mitarbeiter der Post und der Bundesbahn in einer Parallelwelt leben. Kürzlich fragte ich meinen Briefträger: „Was gibt Ihnen Kraft, Ihren schweren Beruf zu ertragen?“ Da schaute er mich an und sagte: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“ Ich dachte nur, genauso mache ich es auch. Aber genauso. Mich wunderte nur nicht mehr, daß es bei der Post drunter und drüber geht. DHL - dauert halt länger.
     Ich denke manchmal, ich wäre ein guter Masseur geworden, weil ich so kitzelig bin. Und dann denke ich oft, ist doch Quatsch, weil ich ja auch kein Feuerwehrmann geworden bin, obwohl ich so schnell rot werde.
     Meine Tochter kam mal mit einem Typen nach Hause, der war Regenmacher. Da dacht ich auch, die Hochzeit fällt sowieso ins Wasser.
     Handwerker werden auch deshalb so gebraucht, weil sie sich so selten sehen lassen.
Sagte der Bundeskanzler: Wenn ich nicht Bundeskanzler wäre, wäre ich vielleicht arbeitslos.
Sagt der Arbeitslose: Wenn Sie nicht Bundeskanzler wären, wäre ich vielleicht nicht arbeitslos. O.k., löschen!
 
 
 
© Erwin Grosche
Aus: „Die Wirklichkeit und andere Übertreibungen“