210 Jahre Städtische Krankenhäuser Köln (2)

Eine kleine rheinische Gesundheits-Chronik

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
210 Jahre Städtische Krankenhäuser Köln (2)

Jetzt stand also das große Bürgerhospital, der Gesundheitspalast, mitten in Köln und füllte sich mit prallem Leben und Skandalen. Einer davon war das Essen. Das war so: es liefen ständig Beschwerden ein wegen zu schlechtem Essen und dann auch noch davon zu wenig. Ich meine: Klar! So ein Krankenhaus ist keine Aufpäppelanstalt oder gar ein Gourmet-Palast. Da hat die Stadt natürlich gespart wo’t irjend jeht, bis et nit mieh jing. Das heißt: die Zustände im Krankenhaus waren nicht gut, dienten aber dem Wohle der Stadt, sozusagen. Da kam dann die Sache vor den Stadtrat, Geheimrat Fischer hat sich da besonders verdient gemacht um das Wohl der Patienten, und dann haben sich die Zustände gebessert – langsam, aber immerhin.
 
Der andere Stein des Anstoßes war: wenn man sich um die Volksgesundheit kümmert, muß man sich um alle kümmern: um die Trinker genau so wie um die Leprösen, um die Tuberkulösen genauso wie um die Syphilitiker, um die ledigen Mütter genauso wie um die Prostituierten. Die waren nun im Trakt für weibliche Geschlechtskranke untergebracht in Zimmern, in denen auch Fenster waren. Und genau darin lagen das Problem und abends die Mädchen, was natürlich immer wieder zu großer Aufregung führte – in jedweder Hinsicht. Gemessen an heutigen Kriterien, die man an Krankenhäuser stellt, war das Ganze ein einziger Gemischtwarenladen, aber das hindert alles den Fortschritt nicht, fortzuschreiten. Der medizinische Fortschritt war nicht nur in Paris und Berlin, nee, der war auch in Köln.
In der Zeit so von 1870 bis zum Ersten Weltkrieg waren Köln und das Bürgerhospital mit an der Spitze des medizinischen Fortschritts.
Prof. Dr. Bernhard Bardenheuer war so einer: nach ihm wird nicht nur eine Operationstechnik im Brustbereich benannt, er hat 1887 in Köln die erste vollständige Blasenentfernung durchgeführt, eine Zystektomie. Der Thomas Baum war der Unglückliche, den es traf: er hatte einen Blasentumor, Diagnose war klassisch: Kenne mr nit, bruche mr nit, fott domet und der Professor hat ihm dann die Blase entfernt. In einem Stück, was sich bis dahin noch keiner getraut hat. Die Operation war erfolgreich, das war eine medizinische Sensation, Köln war in aller Munde, nur der Patient nicht lang: er starb alsbald, wofür aber der Professor nix konnte, weil die Pflege nach intensiven Operationen noch in den Kinderschuhen steckte. Hätte er zum Hl. Fiacrius gebetet, der für unten erum zuständig ist, wer weiß, vielleicht hätte er überlebt. Ich meine: da bewundert man immer, daß die alten Ägypter schon Schädeltrepanationen durchgeführt haben, d.h. den Kopf so auf-flexen konnten, daß du mit der Schädeldecke Juter Tach sagen konntest, ob da aber überhaupt einer von überlebt hat oder an Bazillen, Bakterien, Viren oder überhaupt der allgemeinen Sepsis zugrunde gegangen ist: man weiß es nicht. Deshalb sollte man mit der Beurteilung medizinischer Methoden aus dem 19. Jahrhundert milde sein, weil: Dreck war viel und Hygiene noch weitgehend unentdeckt.
Sei’s drum, wat ich sagen wollte, ist: das Bürgerhospital stand – und das nicht nur in Köln – an der vordersten Front des medizinischen Fortschritts und das ist toll. Übrigens hat der Dr. Bardenheuer auch die Streckapparate eingeführt zur Korrektur von Haltungsfehlern, das waren diese Marterwerkzeuge, die heute noch – natürlich designermäßig aufgepeppt – in jeder Muckibude zu bewundern sind, mit dem einen Unterschied: bei der Muckibude kannst Du loslassen, bei den Streckapparaten ging das nicht, da warst du festgebunden.
Und der Dr. Bardenheuer hat ein weiteres bleibendes Verdienst: er war derjenige, der die Freifrau Charlotte von Oppenheim dazu brachte, das Oppenheimsche Kinderhospital in der Buschgasse der Stadt Köln zu stiften. Aus dieser Stiftung ging schließlich die Kinderklinik Amsterdamer Straße in Riehl hervor. Hohen Dank, Freifrau von Oppenheim.
Übrigens muß man auch einmal lobend erwähnen, daß es in Köln eine lange Tradition hat, daß wohlhabende Menschen der Stadt solche Stiftungen vermachen. Mehr als es in anderen Städten üblich ist. Das spricht für etwas, worauf Köln sehr stolz sein kann: für einen großartigen Bürgersinn.
 
Jetzt haben auf die Dauer die sogenannten „Irren“, also die psychiatrischen Patienten, gestört. Da kam es gut, daß die Lindenburg seit 1871 in städtischem Besitz war, so kamen die alle „op de Lindenburg“, wie es im Volksmund hieß. Weil die Lindenburg aber auch aus allen Nähten platzte, wurde schließlich das „Sanatorium Süd“ daraus, der erweiterte Neubau mit 1.200 Plätzen Kölns größte Klinik, die 1908 eröffnet wurde. Von dieser kostspieligen Klinik hat sich im Zuge des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg die Stadt Köln dann trennen können: sie hat sie dem Land NRW aufs Auge gedrückt, wodrüber sich der Stadtkämmerer und der Rat der Stadt Köln sicher sehr gefreut haben!
Natürlich hat die Stadt Köln im Rahmen ihrer unendlichen Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung auch auswärts Krankenhäuser eingerichtet: ich sage nur Duhnen an der Nordsee und sein Stadt-Kölnisches See-Kinderheim, oder das Godesheim in Godesberg oder Bad Neuenahr, um nur die wichtigsten zu nennen. Ob da die Stadt Köln allerdings an ihr Image gedacht hat? In Godesberg spricht man heute noch davon, wie ausgezehrt und krank die Kölner seien, klar, wenn man nur die Siechen zu Jesicht bekommen hat...
Nach dem zweiten Weltkrieg schließlich bekamen die städtischen Kliniken langsam das Gesicht, das sie heute haben. Das ging erst mal mit Rattengift und Kakerlakenjagd los: Der Fliegerhorst Ostheim schien das ideale Gelände für ein großes rechtsrheinisches Krankenhaus zu sein und das stimmte ja auch, wie man heute immer noch sehen kann. Nur – und da sind wir wieder bei den Cellitinnen – da war viel zu tun. Die Cellitinnen sollten in diesem neuen Krankenhaus Kranke pflegen und die Wirtschaft führen. Dafür aber mußte erstmal die Voraussetzung geschaffen werden. Alles lag halb zerstört herum, der Rest ist geklaut worden und wäre der Büroleiter Rings nicht einer gewesen, der sich der guten Sache wegen über alle Alliierten-Einschränkungen hinwegsetzte und LKWs organisierte und machte und tat, wer weiß, ob es überhaupt geklappt hätte. Das ganze Areal war von Ungeziefer verseucht, jahrelang mußte dagegen angekämpft werden, es gab aber auch Erfolge und improvisieren konnten die Cellitinnen allemal. Z. B. fand sich im Keller unter dem ganzen Schutt eine funktionierende Eismaschine, und die Briten hatten Betten und Bettwäsche zurückgelassen, auch schön. Daraus ist dann der Riesen-Komplex Merheim geworden, uns allen ein Begriff.
Lange schon hatte man im rechtsrheinischen ein Krankenhaus geplant, es kam aber nie dazu. Jetzt war dafür die Zeit auch reif: Holweide. Weil sich das alles aber soooo gezogen hatte, ließ der – sanfte – Spott der Kölner nicht auf sich warten. Als es endlich 1972 in Betrieb genommen wurde, konnte man eine Karikatur sehen mit der Unterschrift: Der Jugendchor probt für die Krankenhauseröffnung. Man sah aber kleine alte Männchen mit Zipfelmützchen! Heute ist Holweide ein modernstes Krankenhaus, in dem außerdem das Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung seinen Sitz hat. In den letzten zehn Jahren haben ca. 18.000 junge Menschen da eine Ausbildung absolviert – da wird sicher der ein oder andere Auswärtige dabei jewesen sein.
Und als Nachfolger des Abraham von Oppenheimschen Kinderhospital in der Buschgasse ist schließlich das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße in Riehl hervorgegangen, mit 292 Betten ein modernes Krankenhaus mit großer Tradition.
Und dat Janze wurde dann mit Ratsbeschluß vom 25. März 2004 in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt, vermutlich weil sich die Stadt dann besser steht, ich kenn mich da nicht so aus.


Ich hoffe, et war e bissche interessant für Sie.
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher   
 
 Redaktion: Frank Becker