Gewinner und Verlierer

Peter Raffalt inszeniert in Wuppertal „Peter Pan“

von Frank Becker

Aaron Röll, Tinka Fürst - Foto © Claudia Kempf (Probenfoto)

Ein Fitness-Center für die Phantasie
 
Peter Raffalt inszeniert in Wuppertal „Peter Pan“
 
Alle Kinder und nicht wenige Erwachsene lieben Peter Pan, den Jungen von der Märcheninsel Nimmerland, der ewig seine Jugend behält, der fliegen kann und furchtlos dem Piratenkapitän Hook gegenübertritt. Und jeder der als Kind diese Geschichte gehört, gelesen oder als Film gesehen hat (das Musterbeispiel schlechthin ist die Disney-Zeichentrick-Verfilmung von 1953), wollte auch wie die Kinder der Familie Darling Wendy, Michael und John an der Hand von Peter Pan in dieses zauberhafte Land fliegen. 1904 hatte Peter Pan in John Matthew Barries Bühnenstück „Peter Pan, or The Boy Who Wouldn’t Grow Up“ seinen ersten großen Auftritt, 1911 wurde die Geschichte in Buchform („Peter and Wendy“) veröffentlicht.
Das Personal ist wunderbar gewählt: Ein strenges Elternpaar, dessen drei Rangen sich über Märchenerzählungen in ein Wunderland träumen, ihr Traumfreund Peter Pan, dessen niedliche und ein wenig eifersüchtige Begleiterin, die Elfe Tinker Bell, die immer mal eingreifen muß, um Schlimmeres zu verhüten, denn Peter ist arg leichtsinnig, ein ewiges Kind eben, eine Rotte verwilderter Buben und eine entführte Indianerprinzessin. Nicht zu vergessen der rachsüchtige Piratenkapitän Hook, der anstelle seiner von einem Krokodil gefressenen Hand einen spitzen Haken trägt und sein willfähriger aber tumber Bootsmann Smee.
 
Regisseur Peter Raffalt hat für das Familienstück zum Jahresschluß in Wuppertal, ein wenig anders als in bisherigen Film- und Bühnen-Adaptionen, eine eigene Fassung des Märchens konzipiert. Was in Barries Märchen und in diversen Filmen als Kampf zwischen Gut (Peter) und Böse (Hook) dargestellt ist, sieht er bei beibehaltener Moral etwas differenzierter. Sein etwas anderer Blick auf die Figuren und die Botschaft der phantastischen Erzählung läßt neben dem Zauber und Abenteuer auch eine neue Wertung zu. Von Gewinnern und Verlierern erzählt er, von erfüllbaren und unerfüllbaren Wünschen, von Jugendwahn und Möglichkeiten. Sein Peter ist durchaus nicht der strahlende Gewinner und Käptn Hook nicht zwangsläufig nur böse. Raffalt rückt Wendy als Gewinnerin des verzauberten Erlebnisses, der Erkenntnis der Liebe und als zur jungen Erwachsenen werdenden stillen Heldin ins Zentrum, während Hook, der Peter die ewige Jugend neidet und Peter, der die Süße des erwachsen Werdens nie kosten wird, gemeinsam auf der Verliererseite stehen.


Fechtszene mit Aaron Röll und Lukas Mundas, rechts: Anna Blumer (Wendy) - Foto © Claudia Kempf (Probenfoto)

Mit einer jungen Mannschaft setzt Peter Raffalt das im Theater im Engelsgarten in Szene: an seiner Seite Dominique Wiesbauer als Bühnenbildnerin, sie ist übrigens für den wichtigsten österreichischen Theaterpreis 2015 nominiert, den Nestroy-Preis. Cinzia Fossati hat die Kostüme entworfen, die sich deutlich von den bekannten Vorlagen absetzen, Julia Klomfaß hat die Themenmusik komponiert und eine artifizielle Nimmerland-Sprache entwickelt, die gelegentlich bei Songs (Irmke von Schlichting) eingesetzt wird. Ein junges Schauspiel-Ensemble, überwiegend aus Gästen bestehend, stellt das Personal, darunter Aaron Röll, der 2014 als bester Hauptdarsteller den Jugendtheaterpreis „Papageno“ erhielt. Zwei Mitglieder des Stamm-Ensembles sind dabei, nämlich der soeben von der Schauspielschule Leipzig kommend neu engagierte Lukas Mundas, der den Kapitän Hook gibt und als Tinker Bell die hinreißende Tinka Fürst, deren „Kunstseidenes Mädchen“ noch lebendig in Erinnerung ist.
Es wird, so Peter Raffalt, „Ein Fitness-Center für die Phantasie“, und er weist ausdrücklich darauf hin, daß es für Kinder ab 7 Jahren geeignet ist – also bitte, liebe Eltern, bringen Sie nicht die ganz Kleinen mit.
 
Die Premiere ist am 24.10.2015, 16.00 Uhr im Theater am Engelsgarten. Das Stück dauert ca. 90 Minuten ohne Pause.