Kluges Verhalten gegenüber dem Rivalen

Ovids "Liebeskunst" - neu übersetzt

von Konrad Beikircher

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Publius Ovidius Naso
Kluges Verhalten gegenüber dem Rivalen
Buch II 539-560
 
 
Ist er nun da, der Rivale,
so nimm’s mit Geduld,
am Ende bist Du doch der Sieger.
Winkt sie ihm zu
so ertrag es
und schreibt sie ihm
laß ihn bloß liegen, den Brief.
Laß sie kommen und gehen
woher und wohin sie auch will.
Solcherlei Rechte gesteht auch der
Ehemann seiner Frau zu,
zumindest so lang,
wie des gesunden Schlafes
er sich erfreut.
Doch gebe ich zu: auch ich
hab an diesem Punkte zu knacken.
Hier ist, was ich denke,
nicht immer auch das, was ich tu.
Ja soll ich denn zuschaun
wenn sie einem anderen winkt?
Wie? Nichts unternehmen,
nicht wütend sein, nichts?
Geküßt hat IHR MANN sie, ich weiß,
wie das weh tut!
In diesem Punkte,
das sag ich nicht gern,
bin auch ich nicht zivilisiert.
Das hat mir schon öfter geschadet, denn
klüger ist der,
der auch dem Freunde gestattet,
heimlich zu naschen.
So schließ denn die Augen,
oft ist es besser, gar nichts zu seh’n.
Wenn sie’s schon tut,
dann soll sie sich mindestens schämen,
denn es kann sein,
daß sie sich dann nicht mehr schämt,
hast Du die Schande entdeckt!
Versuch also nicht unbedingt,
sie in flagranti zu schnappen
Laß sie ruhig fremdgeh’n und denken,
Du hast auf den Augen Tomaten.
Sonst fangen die beiden noch an,
sich zu lieben!
Weil: wen man gemeinsam entdeckt
der steht in der Not auch zusammen!
 
 
 Ovids "Liebeskunst" - neu übersetzt von Konrad Beikircher