Bestsellerfressen

„Der Katechismus“ von Josef Ratzinger i. A.

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Das große Comedy-Buch
der katholischen Kirche

„Der Katechismus“
von Josef Ratzinger i. A.
 
 
Das Leben, liebe Brüder und Schwestern,
das Leben, ja, es überrascht uns Menschen doch immer wieder und jeden Tag aufs Neue mit neuen Überraschungen. Oder lassen Sie es mich mit anderen Worten sagen: Das Leben, Ihr Lieben, ist doch immer wieder voller Überraschungen. Neulich erst – es ist noch gar nicht so lange her – da fiel mir ein Büchlein in die Hände. Und das Wunderbare daran war nun nicht so sehr, daß es mir in die Hände fiel, oh, nein, denn ich hatt's mir ja extra selbst bestellt! Nein, nein, das Mirakulöse schien mir der Scherz zu sein, die Ironie, das Schalkhafte darinnen, die über- und überquellende körper-geist-&-seelen­erschütternde himmlische Heiterkeit. Ja, allein der römische Original-Titel dieses dick-beleibten Kompendii multiplen Frohsinns versprach schon vielerlei Ulkiges:
„Libreria Editrice Vaticana omnia sibi vindicat iura. Sine eius­dem licentia scripto data nemini liceat hunc Catechismum denuo imprimere aut in linguam vertere“.
Was immer das auch heißen soll!
Oder halt auf althochplatt:
„Der Katechismus“!
eine wahrlich singuläre Sammlung von sage & schreibe 2865 christlichen Weltspaßnummern Nummer 1 !

Nun, liebe Brüder und Schwestern, nun ist unsre christliche Gemeinde ja eine der ältesten, besten und erfolgreichsten Comedy-Truppen der Welt, die mit einigem Recht stolz sein kann auf ihren jahrhundertealten exqui­siten Massenhumor & ihre populären Volkswitze wie Daumenschrauben, Beichte und Eiserne Jungfrauen; Hexenhalligalli, Liebe, Güte, Harmonie und Neger verhauen; Genozide, Ethnozide, Fastenzeit, lustige Inquisi­tionshütchen auf dem Kopp - und angespitzte Holzpfähle in den Popo, für den Fall, daß einer Päpste lästert. Oder auch nur Quatsch erzählt.
Doch nach dem ersten Durchblättern saß ich ein wenig irritiert und enttäuscht in meinem bequemen Schlaumeiermobil, meinem treuen, teuren Lesesessel mit den großen Ohren: Denn das „thematische Register“ am Ende des Büchleins hatte zwar alles aufgeboten, was nach Ulk und Schabernack roch, von „Aberglaube“, „Ablass“ und „Absolution bei läßlichen Sünden“ bis hin zu „Zauberei“, „Zölibat“ und „brüderlicher Zurechtweisung“.
Alles war vertreten, nur nicht die wirklich großen Ideen der Kirche wie Keuschheitsgürtel, Kopfpressen, Kettengeißeln und Schädelschrauben, Brustkrallen, spanische Kitzler und gedornte Halskrausen, Judaswiegen, Mundsperren und Ketzergabeln, ja, nicht einmal Neger verhauen oder angespitzte Pfähle für den Popo und Springprozessionen!
Aber bei „Folterung“, ja, bei „Folterung“, da furd’ ich fündig. Der dazu gehörige Witz Nr. „2297“ verhieß nicht nur viel Gutes, sondern auch was Nietennagelneues, denn der ging so:
„Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit“
Alle Achtung! So hatten wir das, liebe Brüder und Schwestern vorm Herrn, ja noch nie formuliert bekommen! Und weiter stand geschrieben:
„Folterung, die körperliche oder seelische Gewalt anwendet, um Geständnisse zu erpressen, Schuldige zu bestrafen, Opponenten Angst einzujagen oder Haß zu befriedigen, (Na, da kennt sich aber einer aus!) widerspricht der Achtung vor der Person und der Menschenwürde.“
‚Nanü’, hörte ich mich da rufen. ‚Was war das denn? Fehlte in dem Satz da nicht ein ‚nicht’? War da etwa der schelmische Druckfehlersatan aus der Setzerei des Vatikans zu Werke gewesen? Ich ward neugierig und tendenziell skeptisch:
„In früheren Zeiten wurden grausame Maßnahmen auch von rechtmäßigen Regierungen allgemein angewendet, um Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten – oft ohne Billigung durch die Hirten der Kirche. Hännänäh, hänänäh. Von diesen bedauerlichen Vorkommnissen abgesehen, trat die Kirche stets für Milde und Barmherzigkeit ein; sie verbot Klerikern, Blut zu vergießen.“
Oh, heiliges Kanonenrohr! Ich wein’ gleich Blut & Wasser!
Aber so sinse, die süßen Oblatentanten, unsere Scherzkeksfabrikanten! Andererseits, ... andererseits wollen wir ja auch nicht einseitig sein! Die Christen sind ja nie ausschließlich nur den Mitgliedern anderer Sekten auf’n Sack und an die Eier gegangen. Als traditionsgeilster Männer­gesangsverein besingen und beschwören unsre Brüder doch am liebsten immer noch ihre eigenen faibles:
Kapitel - :"Homosexualität“:
„Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechts hingezogen fühlen.“

Okay, so weit noch alles im grünen Bereich. Und könnte so auch von Dr. Sommer aus der „Bravo“ stammen. Aber dann kommt’s ... - gaaaanz .. langsam:
„Gestützt auf die Heilige Schrift, die die Homosexualität als schlimme Abirrung bezeichnet, hat die kirchliche Überliefe­rung stets erklärt, daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind’.“
So. und jetzt wird’s richtig komisch:
„Sie entspringen nicht einer wahren geschlechtlichen und affektiven Ergänzungsbedürftigkeit. (Ergänzungs...bedürftig...keit! Kinners!) Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
Gut, das klingt freilich aufn 1. Blick fast ein wenig nach Schopenhauers Gassenhauer „Homo homini lupus“, „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, oder eben genauer: „der Homo ist dem Homo ein Wolf“. Doch eben nur fast, denn jetzt kommt die Kehrtwende:
„Diese Neigung stellt für die meisten eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“
Jajaja, ich hör’s schon wieder aus allen Tucken-Klappen plappern: „Doppelmoral! Doppelmoral!! Lüge, ekelhaft und Hastenichgesehn.“ Aber nix da, ihr lieben, aufmüpfigen Schwestern vonner Anti-Kirchen-Liga! Die Inquisition ist ja – gleichsam wie der Media Markt – nich’ blöd! Bruder Ratzinger weiß ganz genau, daß ohne euer Welt-Tuntentum in seinen göttlichen Freudenhäusern völlig tote Hose wäre. Deshalb noch mal euch zuliebe im Gehen der letzte Absatz:
„Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfaßtheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.“
Na, wenn das keine 1a- Einladung ist, dann heiß ich aber Daisy.
Gute Nacht und viel Spaß noch, ihr lieben Apusteln.

Jul. 2003