Der Spott der kleinen Dinge

Auf Schalke

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Auf Schalke
 
Neulich war ich auf Schalke. Meine Eintrittskarte war ein Weihnachtsgeschenk. Es stand nicht direkt auf dem Wunschzettel, aber das ist in meinem Leben nicht weiter auffällig. Ich erinnere mich, dass ich 1989 auf einen Wunschzettel geschrieben habe: „1 Schlafanzug. Gr. 56, Farbe egal, Muster egal, Ausschnitt egal. Aber bitte reine Baumwolle!“ Er hatte 100 Prozent Kunstfaser.
     Auf Schalke, das hat mir gefallen, lernt man sehr schnell Menschen kennen. In meinem Fall war es Monika. Monika hatte ihre Karte auch geschenkt bekommen. Auch zu Weihnachten. Vielleicht gibt es – wie für die Fans der anderen Mannschaft, die in so einer Art offener Glastruhe sitzen, damit sie die anderen nicht bei jedem Tor verbimsen – eine kleine Zone für Fußballfremde. Vielleicht besteht sie pro Spiel nur aus zwei Plätzen. Einem für Monika, einem für mich.
     Monikas Karte hatte ihr Sohn ihr geschenkt. Sie hatte ihm zu Weihnachten das Buch von Hape Kerkeling geschickt. Dieses Buch dürfte irgendwann (wie der Golf vom Papst) als Sensation bei Ebay auftauchen. Denn das Buch hat eine Widmung. Halten Sie sich fest: Die Widmung ist von Mario Adorf!
     Das Buch (das hat mir auch noch an Schalke gefallen: Man konnte toll quatschen, ohne dass einer „pssst“ gemacht hat wie in der Oper) das Buch hat Monika beim Weihnachtsmarktbummel in Aachen gekauft: „Und da saß Mario Adorf in der Buchhandlung und hat Bücher signiert!“ Monika hat sich dann mit dem Kerkeling-Buch (das mit der Wanderung, das dieses Weihnachten alle verschenkt haben) in die Adorf-Schlange gestellt. Und als sie dran war, hat Mario Adorf gesagt: „Das ist aber gar nicht mein Buch!“ Da hat Monika gesagt: „Ist doch nicht schlimm. Schreiben Sie: Für Dietmar!“ Adorf schrieb. Ich fand das den wahrhaft großen Beweis, dass Mario Adorf der letzte Gentleman unter den deutschen Schauspielern ist.
     Dann fiel ein Tor. Von den zwei Fußballfremden auf Schalke hatte Monika es nicht gesehen. Es zeichnete sich schon 30 Sekunden vorher ab, dass Kurányi sich diesmal die Butter nicht vom Brot nehmen lassen würde, also schrien alle und sprangen von den blauen Schalensitzen auf. Monika nicht. Für Männer stehe sie grundsätzlich nicht auf, sagte Monika mir nachher. Ich mag Frauen mit Prinzipien. Auch wenn der Preis dafür ein Leben ohne Tore ist.
 


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.