Ich hauche das Eis von meinem Fenster

von Arnim Juhre
Ich hauche das Eis von meinem Fenster

... und sehe draußen zwei liebende stehn.
Die brauchen nicht zu frieren.
Ihr frieren ist wärmer als meins.
Ich taste in meine stube zurück.
Rauhreif hängt an den wänden
und feuchter schimmelpilz.
Ich zähle die tage und schneide
kleine kerben in mein brot.
Ich rechne täglich.
wie lange es reichen muß.
Und die kleinen kerbstücke esse ich.
Aber sie schmecken nicht.
Weil ich denke und rechne und kaue,
und meine gedanken
schmecken nicht.
Ich lege das berechnete brot zurück.
doch zu feige bin ich.
zum fenster zu gehn.
Ich sehe schon - ohne hinzusehn -
wie der eisblumengarten meinen hauch überwuchert
und des eis hochwächst
zwischen mir und den liebenden.
Da fangen sie leise zu singen am
alle, alle, die sich liebhaben in der welt.
Und mein ohr bringt die kraft nicht mehr auf
sich zu verschließen.
Ich muß hinhören
und meine augen sehn
wie sie vor meinem fenster stehn und singen
und wie mein fenster aufweht
im frühlingswind.

Arnim Juhre
 


© Martin Juhre