Der einzelne Tag

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Der einzelne Tag

ein tag mehr is ein tag weniger is doch so
nur man macht sich das ja nie klar
man ist sich dessen gar nicht bewußt
is vielleicht auch ganz gut so einerseits
aber andererseits is de tag weg
auch inne Weltgeschichte is de weg
eigentlich furchtbar
aber sagt goethe ja schon, glaub ich
Verweile doch o augenblick
du bist so schön verweile doch oder so ähnlich
aber pustekuchen de augenblick de schert sich
en dood un en deuwel um uns
un viele augenblicke machen ja einen tag
kann man vielleicht so sagen
un die geschlossenen augenblicke
dat is dann die nacht
un tag un nacht sind am nächsten tag unrettbar dahin
da is überhaupt nix zu machen
dat kannze auch nich festhalten
manchmal meint man dat ja
sagen wer mal so an weihnachten oder an karneval
ich will das hier (wie der name schon sagt)
um gottes willen nicht in einen topf werfen
aber silvester un aschermittwoch
die machen uns dann schon wieder klar
daß der tag einfach weg is
sag ich immer zu mein frau
die sagt nämlich immer
wenn so schwierigkeiten kommen sagt se immer
dat geht vorbei sollze mal sehn heut is schon dienstag
ja sag ich dann un morgen is mittwoch
un so geht alles vorbei
daß damit aber auch eines tages dat ganze leben
vorbei gegangen worden is
dat fällt ihr ja nich auf
oder vielleicht fallt et ihr auf
aber sie will es nicht wahrhaben
un ich mein
wat sind schon 24 stunden
nix gar nix
un je älter ich werde desto fixer geht ja auch alles
nächstes jahr soll ja noch fixer gehen als dies jahr
jedenfalls als mir neulich so klar war
daß so ein tag einfach auf nimmerwiedersehn
in der versenkung verschwindet
da isset mir eiskalt de rücken runter gelaufen
dat hab ich sonz nur bei de matthäus-passion
un wenn mein frau sagt: wir zwei
aber wat willze machen: kommen und gehen sag ich dann immer
aber mein frau sagt dann immer
aber wat dazwischen liegt da musse ja auch mal dran denken
un ich bemüh mich ja auch da drum
denn wenn se sowat sagt
da muß man ja eigentlich dankbar sein
aber dann denk ich wieder an son schuster
sagen wer mal in augsburg 15. jahrhundert mit familie
kleine werkstatt alles weg alles weg ne
privat alles unter de erd
alles staub un stäubchen
die sind ja damals auch rumgelaufen un haben sich
abgestrampelt tag für tag
aber so soll man ja nich dauernd denken
man soll ja mehr so denken
daß man dann sagen kann
de tag werd ich nie vergessen
erst dann glaub ich hat man auch die zeit besiegt.
 
Hanns Dieter Hüsch


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.