Dumm gelaufen – Gott ist tot!

Das Mülheimer Theater an der Ruhr mit Woody Allens Einakter „Gott“

von Frank Becker

Dumm gelaufen – Gott ist tot!
 
Das Mülheimer Theater an der Ruhr mit Woody Allens Einakter „Gott“
in der Inszenierung von Roberto Ciulli
 
Remscheid, Teo Otto Theater. Man kommt beim Zählen der Handlungsebenen schnell mal durcheinander, denn gleichzeitig werden Verstand und Zwerchfell mit einem Trommelfeuer intelligenter Pointen, Parodien und köstlicher Blasphemien, einer ungeheuren Zahl von Zitaten und als Plagiat getarnten brillanten Einfällen beschossen. Woddy Allens „Gott“ in der Inszenierung von Roberto Ciulli ist nicht neu auf deutschen Bühnen. Der Mülheimer Prinzipal sicherte sich  Woody Allens Einakter und ihren drastischen Humor, darunter „Gott“, für die deutsche Erstaufführung. „Gott“ betrat 1982 in Mülheim erstmals deutschen Boden.
 
Mit der 21 Jahre später wiederbelebten Inszenierung gastierte das Theater an der Ruhr am Mittwoch im Teo Otto Theater und fuhr (bei dem überwiegend jugendlichen Publikum) einen beachtlichen Erfolg ein. „Gott“ gehört nicht zu den narrensicheren Stücken, die man wegen eines brillanten Buchs einfach nicht kaputtmachen kann. So vielschichtig ideenreich es ist, so erlesen muß auch sein Personal samt Regieteam sein. Das war bei dieser Aufführung eindeutig der Fall: höchstes Amüsement auf allen Rängen, es kam beileibe nicht zu dem „lustigen Geräusch mit den Lippen – (Auspfeifen)“, Lacher kamen in Serie, sogar Szenenapplaus, wie beim Eis-Paarlauf von Trichinosis (Steffen Reuber) und Doris (Dorothee Lindner) zu „God Bless America“, ein Kabinettstück.
 
Der Plot ist kurz erzählt, sofern das überhaupt möglich ist: Schauspieler Diabetes (Albert Bork) und Autor Hepatitis (Peter Schröder) sehen sich vor dem Dilemma, ein Stück ohne Schluß zu haben. Woher nehmen? In den Versuch der Lösung mischen sich etliche, nur Woody Allen hält sich raus. Er - am Telefon die Allen-Synchronstimme von Wolfgang Draeger – wäre allenfalls am Verkehr mit Doris interessiert. Plötzlich steht in Frage im Raum, was die Wirklichkeit ist: Diabetes/Hepatitis? Ihre Abhängigkeit von Allen? Das Stück? Der Meister (Volker Roos), der sogar die Existenz des Publikums in Frage stellt? Im übrigen geistern Tennesse Williams´ Schnapsdrossel Blanche DuBois, Shakespeares Lear und Cordelia, das großartige Paar Bob und Wendy Schicksal (Szenenapplaus für Ferhade Feqi und Rupert J. Seidl) und zuletzt Groucho Marx im Licht des Verfolgers über die Bühne. Telegramm ans Publikum, nachdem sich Zeus im Supermann-Kostüm mit Micky Maus-Kopf beim Landeanflug versehentlich erdrosselt hat: „Gott ist tot. Ihr seid allein auf de Welt“. Ein cineastisch-literarischer Hauptspaß.
 
Frank Becker, 24.2.05