Die Alten kommen

Ewige Jugend (Youth / La giovinezza) von Paolo Sorrentino

von Renate Wagner

Ewige Jugend
(Youth / La giovinezza)
Ab 27. November 2015 in den Kinos

F, GB, I, CH / 2015 / Regie: Paolo Sorrentino
Mit: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Jane Fonda, Paul Dano u.a.
 
Die Alten kommen, vielmehr sie sind da. Eine Jugendkult-Welt wollte sie gerne wegwischen, aber sie haben zu viel Potential. Nicht nur Geld, nach dem die Enkel gieren, sondern auch Lebenslust und Lebenskraft. Können und Erfahrung. Charisma und Flair. Es ist absolut kein Wunder, dass immer mehr Filme mit älteren, ja definitiv alten Schauspielern über das Thema des Altseins gedreht werden. Und wenn man Michael Caine (83) und Harvey Keitel (76) hat und einen Regisseur, der die beiden Herren geradezu liebevoll betrachtet, auch wenn er ihnen in seinem Drehbuch ein paar negative Eigenschaften gibt… dann gibt das einen Film von eigenem Zauber.
Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino (unvergessen: „La Grande Bellezza“, wofür er 2014 „Oscar“ und „Golden Globe“ für den besten fremdsprachigen Film bekam) hat in die Schweiz gebeten, in das Luxushotel Waldhaus in Flims (Graubünden), das den perfekten Wellness-Sommer-Hintergrund für zwei sehr alte, sehr reiche, sehr erfolgreiche alte Herren abgibt, die es sich zwischen Pool und Wiese (mit Kühen darauf) gut gehen lassen.

Fred Ballinger (Caine) ist Komponist und ein so berühmter Dirigent, daß ein Abgesandter von Queen Elizabeth II. mehrfach inständig bittet, er möge doch ein Konzert für die Dame dirigieren. Er weigert sich standhaft (und tut es ganz am Ende doch). Mick Boyle (Keitel) ist ein erfolgreicher alter Filmregisseur, der an seinem nächsten Projekt arbeitet. Nebenbei sind die Herren noch verwandt – Ballingers Tochter Lena hat Boyles Sohn geheiratet, wird aber von diesem gerade verlassen. Damit ist Lena ein weiterer Hotelgast, in verständlich trüber und auch aggressiver Stimmung, dem Papa vielfach ins Gesicht zu sagen, welch miserabler Vater er war, der sich nie um irgendjemand anderen gekümmert hat als um sich selbst. Eine schöne Rolle für die schöne Rachel Weisz, vor allem dann, wenn sie sich entschließt, an der Seite eines Bergführers das Trauern sein zu lassen.
 
Fred und Mick schwimmen nun real – metaphorisch allerdings in ihren Gesprächen durch die Vergangenheit, wobei sie sich eingestehen müssen, sich an vieles einfach nicht mehr zu erinnern. Daß der Tod um die Ecke wartet, das wissen sie beide. Stielaugen angesichts knackiger junger Frauen bekommen sie dennoch– sie sind ja schließlich noch am Leben. Während der Musiker schon eher resigniert, ist der Filmemacher voll von Unternehmungsgeist – eine der schönsten „Traum“-Szenen des Films zeigt ihn unter all seinen Hauptdarstellerinnen, eine extrem bunte Schar (wie von Fellini geliehen), die in der Wiese herumstehen und ihn offenbar mit Dialogfetzen aus ihren Rollen bedenken.
Das ist die Reaktion auf den Besuch von Brenda Morell, der großen Diva, die extra kommt, um Mick persönlich ihre Mitwirkung an seinem nächsten Projekt abzusagen – denn eine Rolle in einer Fernsehserie, das ist nicht die Zukunft, das ist die Gegenwart heute, auch für Hollywood-Stars. Jane Fonda, auf Anhieb fast nicht zu erkennen und doch dann sehr sie selbst, spielt in einer furios-fulminanten Szene einen dieser strahlend-aufgetakelten Altstars, die eine Mischung aus Horror und Größe verbreiten. Eine andere Marginalie aus der Welt des Films steuert Paul Dano als Halb-Jungstar Jimmy Tree bei, auch im Hotel, genervt, daß man ihn immer auf seine berühmteste Rolle als Roboter anspricht.
 
Es steckt viel herzerfrischende Ironie in dem Film. Und wie Caine und Keitel im Altherrenstil über einst und jetzt, über Gott und die Welt palavern, das ist einfach hinreißend, das ist die Hohe Schule, die man nur mit hingerissener Bewunderung betrachten kann. Und Paolo Sorrentino hat sie in eine leicht surreale Traumwelt gesetzt, deren Zauber man deren Zauber man sich nicht so leicht entzieht.
 
 
Renate Wagner 25.11.15