Große Oper - Commissario Brunettis 24. Fall

Donna Leon – „Endlich mein“

von Frank Becker

Große Oper
 
Auch Commisario Brunettis 24. Fall fesselt
 
Erinnern Sie sich noch an Flavia Petrelli? In Donna Leons erstem Kriminalroman „Venezianisches Finale“ um ihren längst zum stillen Star gewordenen kultivierten Commissario Guido Brunetti spielte die Opernsängerin in ihrem Engagement am Teatro La Fenice eine tragende Rolle. In ihrem 24. Fall für Brunetti läßt Donna Leon die berühmte Sängerin für ein Gastspiel in „Tosca“ ans La Fenice zurückkehren. Die berühmte Diva wird Opfer eines perfiden Stalkings. Wie schon in Paris und Petersburg geht beim Schluß-Applaus ein Regen von gelben Rosen auf die Bühne nieder, die Garderobe ist mit üppigen Sträußen in kostbaren Vasen vollgestellt und auch vor ihrer Wohnungstür im verschlossenen Palazzo steht ein riesiges Bukett gelber Rosen.
Erst spät, nach einer Vorstellung, die Brunetti und seine Frau Paola besucht haben und bei einem gemeinsamen Essen im Haus von Brunettis Schwiegereltern vertraut sich Flavia Brunetti an, mit dem sie seit damals befreundet ist. Er nimmt das doch recht unheimliche Stalking des anonymen Fans nicht auf die leichte Schulter und beginnt zu ermitteln.
 
Donna Leon baut mit viel Raffinesse und Understatement die wachsende Spannung auf und vertieft in diesem Roman erneut mit enormer Detail-Liebe und zum großen Vergnügen des Lesers ihre eingeführten Charaktere der Questura: Brunettis Freund und Kollegen Ispettore Lorenzo Vianello, der brave Sergente Alvise, Vice-Questore Giuseppe Patta und dessen Sekretärin, die geheimnisvolle Signorina Elettra Zorzi, Brunettis schöne Kollegin Claudia Griffoni und nicht zu vergessen aus Brunettis persönlichem Umfeld seine erwachsen gewordenen Kinder Raffi und Chiara, seine Frau Paola (seine Literatur-Dialoge mit ihr sind ein Genuß) und deren Eltern, die Faliers. Man kennt die Figuren und ihre Wesensart mittlerweile, hat Sympathien und Abneigungen – wie z.B. gegen den hinterhältigen Tenente Scarpa, Pattas Günstling, aufgebaut. Wissen wir nun nach „Endlich mein“ in dem Puccinis „Tosca“ eine wesentliche Rolle auch für den Roman spielt, warum Donna Leon diesen üblen Vogel nach Puccinis Scarpia benannt hat? Donna Leon läßt auch hier wieder kleine Geheimnisse wie das um das Vertrauensverhältnis Patta/Scarpa offen. Und auch Signorina Elettra bleibt die große Unbekannte. Das hat natürlich auch zur Folge, daß man keinen Roman dieser exzellenten Reihe versäumen möchte.
 
Als die Ermittlungen nach dem unheimlichen Rosenkavalier noch völlig im Dunklen tappen, geschieht eine Gewalttat: eine junge Sängerin, die von Flavia Petrelli gelobt worden ist, wird eine Brückentreppe hinuntergestürzt – schwer verletzt überlebt sie den Anschlag. Wenig später wird Flavias früherer Freund und jetziger Vermieter und Beschützer Federico, Marchese d´Istria in einem Parkhaus niedergestochen. Die Zusammenhänge werden offenbar. Flavia schwebt in höchster Gefahr.
Donna Leon hat wieder ein Händchen dafür bewiesen, wie man den Leser bei der Stange hält und mit Charakteren spielen kann. Einzig die Auflösung läßt geringe Schwächen erkennen, weil einige ermittlungstechnisch wichtige Fragen unbeantwortet bleiben. Ansonsten: Einer der besten Brunettis überhaupt. Donna Leon hat den Biß nicht verloren. Freuen wir uns auf den 25. Fall, der bereits für das kommende Jahr angekündigt ist.
 
Donna Leon – „Endlich mein“
© 2015 Diogenes Verlag, 307 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag – ISBN 978-3-257-06943-3
Aus dem Englischen von Werner Schmitz
24,- € / 32,- sFr

Weitere Informationen:  www.diogenes.ch