Ein glänzendes Debüt

Florian Kästner – „Gleiswechsel“

von Frank Becker

Florian Kästner – Gleiswechsel
Ein glänzendes Debüt
 
„Gleiswechsel als Debüt-CD zu präsentieren wird dem Künstler und der Sache nur unzureichend gerecht, obwohl es sich hier in der Tat um das erste Soloalbum Florian Kästners als Pianist und Komponist handelt. Vielmehr gleicht dieses Album dem bejubelten Zieleinlauf eines musikalischen Marathonläufers. „Ich würde dieses Soloalbum als eine Momentaufnahme meines fast schon obsessiven musikalischen Spieltriebs bezeichnen“, so Florian Kästner selbst, „und als Essenz meiner Idee von Jazz.“
Und wenn auch die Musik, die Kompositionen und Arrangements Kästners keiner ergänzenden Erklärung oder Hintergrundinformation bedürfen, um sich nachhaltig in Geist und Psyche des Hörers zu verankern und dort für anregende Spannung und entspannte Stimulanz sorgen, so lohnt ein Blick auf die musikalische Biografie des Künstlers allemal. Seinen Weg zum Jazz darf man getrost als avantgardistische Odyssee bezeichnen die gleichsam auch viel Logisches birgt.
Widersprüche, Brüche, Willenskraft, kontinuierliches Entwickeln, kraftvolles Voranschreiten, Konzentration auf das Wesentliche und lustvolles sich Ausprobieren – all das sind Attribute die sowohl auf das musikalische Schaffen als auch auf den Künstler Florian Kästner zutreffend sind.
Und jetzt legt Florian Kästner mit Gleiswechsel ein furioses Soloalbum als Pianist und Komponist vor – Beweis seines Könnens und ein beeindruckendes Statement zum Thema Jazz und wie er ihn versteht. Und dazu hat Kästner eine Menge zu sagen – sowohl kompositorisch und durch seine Interpretation, als auch was ihn umtreibt und aus welchen inneren Quellen er schöpft.“
Diesem Promotion-Text des Labels ist sachlich kaum etwas hinzuzufügen. Der persönliche Eindruck wird bei jedem Hörer unterschiedlich sein. Ich habe „Gleiswechsel“ als ungeheuer spannendes Hör-Abenteuer erlebt, das beim ersten Anhören überhaupt nicht alles offenbart, was in dieser hinreißenden Musik steckt. Also: auf „repeat“ drücken und wieder, nein, neu hören. Kästner spielt neben seinen Eigenkompositionen brillant mit J.S. Bach, und einen anonymen Barockkomponisten, seine Interpretation von Thelonious Monks „Round Midnight“ ist eine Delikatesse.

Kästner sagt über sich selbst: „Mich hat immer gestört, wenn man bei Jazzstücken einen starken Bruch zwischen Thema und Improvisation wahrnimmt. Meine Intention ist, so zu musizieren, dass sich das Stück „selbst weiter komponiert“. Idealerweise verschwimmen für den Hörer unmerklich Form und Entwicklung, das heißt, er nimmt, wenn überhaupt, nur einen weichen Übergang zwischen Komposition (Form) und Improvisation (Entwicklung) wahr.
Das Klavier als Soloinstrument ermöglicht mir, über Form und deren Gestaltung selbst und im Moment vollständig zu bestimmen. Dabei ist Improvisation über vor-komponierte Formen das eine, Improvisation als Jetzt-Komponieren das andere.
Die Musik spielt durch mich. Sie beginnt da, wo ich aufhöre zu kontrollieren und zu erwarten. Das schwierigste ist, diese Freiheit zu erlangen, nicht zu denken, nichts zu erwarten, vollstes Vertrauen in mein Können und Musikalität hineinzugeben, das mögliche Scheitern zu akzeptieren.
Über die Jahre des Probierens und Scheiterns sehe ich mich jetzt dieser Herausforderung gewachsen...“

Der Beweis dafür liegt mit diesem großartigen Album vor. Dafür gebührt ihm unsere Auszeichnung, der Musenkuß.
 
Florian Kästner – „Gleiswechsel“
© 2015 Mons Records
Florian Kästner (Klavier)
 
1 Leipzig - 2 Bunte Repuplik - 3 Hinterrücks - 4 Gebet - 5 Ich ruf zu dir - 6 Punkt. - 7 Derrick - 8 Round midnight/Ask me now - 9 Tausendschön - 10 Luz long - 11 Ehec song - 12 Sänk juh for träwelling - 13 Passacaglia 14 Someone to watch over me
Gesamtzeit: 46:10
 
Weitere Informationen:  http://monsrecords.de