Die Peanuts - Der Film

Ein Nostalgie-Trip, wie man ihn lange nicht erlebt hat

von Renate Wagner

© 20th Century Fox
Die Peanuts - Der Film
Animationsfilm
(USA 2015)

Regie:
Steve Martino

Zeichentrickfilme – nein, man nennt sie längst Animationsfilme – gibt es wie Sand am Meer, und die meisten vergißt man ganz schnell wieder. Dieser greift auf eine Legende zurück: Ein halbes Jahrhundert lang, zwischen 1950 und 2000, haben der kleine Junge Charlie Brown (ohne je „groß“ zu werden) und sein Hund Snoopy nicht nur 17.897 gezeichnete Comic Strips gefüllt, die Millionen Male reproduziert wurden, sondern auch zwischen Buchdeckeln, im Fernsehen und auch schon im Kino ihr Publikum in der ganzen Welt gefunden.
Vier Filme gab es rund um die siebziger Jahre, aber erst dieser scheint der „ultimative“ zu sein. Immerhin befand das die Kritik und die deutsche Filmbewertungsstelle, die „Die Peanuts – Der Film“ mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet hat. Man tat es explizit mit dem Hinweis darauf, daß eine behutsame Modernisierung (in 3 D) den „Reiz“ des Originals bewahrt habe.
Zu Deutsch: Der Film ist herrlich, aber gewissermaßen auch unglaublich altmodisch. Er bleibt in seiner Kinderwelt anno dazumal mit dem schrecklich herzlichen, aber ebenso schrecklich weinerlichen Charlie Brown, dem liebenswerten Freund Linus, der spitzzüngigen Freundin Lucy und dem unverwüstlich-unverzichtbaren Hund Snoopy – und scheint gar nichts mit unserer Kinderwelt zu tun zu haben, wo schon die Allerjüngsten ihre Handys herumtragen und Gewalt an der Tagesordnung ist.
Hier geht es immer noch um die Kleinstadtidylle, wo sich der Junge ohne Selbstbewußtsein, der Pechvogel und Loser, der in seiner Minderwertigkeit schwelgt, in das hübsche rothaarige Mädchen, die Neue in der Klasse, verliebt (Lucy ist entsprechend eifersüchtig), und er möchte unbedingt jemand Besonderer sein, um ihr zu imponieren. Weil er aber das Gefühl hat, dies nicht zu können, weint er sich selbst oder Linus die Ohren voll. Und er „analysiert sich selbst“, was es das Zeug hält, eine Gewohnheit, die von den heutigen Egomanen ja voll übernommen wurde.
Wenn Charlie Brown in einem Buch „Ten Ways to become a Winner“ schmökert, dann erinnert das an Zeiten, als die Ratgeber-Bücher für unsichere Zeitgenossen den Buchmarkt überschwemmten. Freilich, wenn man im Ersten Weltkrieg ein kühner Pilot gewesen wäre wie der „Rote Baron“, dann könnte man schon imponieren – aber das sind ja eigentlich die Träume von Snoopy, der seinerseits eine Pudeldame erobern möchte!


Nun, der „Versager“ Charlie, der sich „Krieg und Frieden“ aus der Bibliothek holt (auf der Suche nach „intellektueller Überlegenheit“) und durch einen Irrtum kurzfristig als bester Schüler gilt (nein, so unanständig ist er nicht, das nicht aufzuklären) – der erlebt doch noch sein Happy End. Denn die Rothaarige erkürt ihn, weil er ein guter, braver Mensch ist, und das „Peanuts“-Motto: Nie aufgeben! hat sich wieder einmal bewährt.
Charles M. Schulz hat seinen Kinder- und Tier-Kosmos in den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfunden, und das waren kreuzbrave Zeiten, auf die heute gerne mit viel Verachtung zurückgeblickt wird. Allerdings hat Regisseur Steve Martino (er zeichnete auch für einen „Ice Age“-Film verantwortlich) vermutlich die richtige Entscheidung getroffen, am Original nicht zu rühren: es wäre nicht zu modernisieren gewesen. Es mußte so naiv, unschuldsvoll, wehleidig-wehmütig bleiben. Das Ergebnis: Dieser Film ist ein Nostalgie-Trip, wie man ihn lange nicht erlebt hat, und es werden wohl die Erwachsenen sein, die nach diesen besseren Zeiten und Welten zurückseufzen.
Die Frage bleibt, ob Charlie Brown für die Kinder von heute nicht glatt ein Alien ist…
 
Bilder © 20th Century Fox
 
Renate Wagner