Der Spott der kleinen Dinge

Volksmusik

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Volksmusik
 
Neulich haben Stefanie Hertel und Stefan Mross Schluß gemacht. Ich hatte davon gar nichts gemerkt. In meinem Alter trennen sich so viele, da zählt man nicht mehr mit. Von der Volksmusikanten-Trennung erfuhr ich erst durch eine Tante, die alarmiert anrief, weil sie zwei Eintrittskarten für die »Alpenländische Weihnacht« Mitte Dezember in der Stadthalle von Cottbus habe. Sie bat mich, zu prüfen, »ob die trotzdem kommen«.
     Ich fand die Frage seltsam. Um alten Menschen eine Freude zu machen, singen Partner zerrütteter Ehen auf aller Welt Weihnachtslieder. Ein befreundetes Paar hat die Liebe schon vor vier Jahren an den Nagel gehängt. Jens’ Oma hat das nie erfahren. »Sie würde es nicht überleben«, sagt Jens. Darum fahren Angelika und Jens jedes Jahr am zweiten Weihnachtstag nach Versmold und singen mit der Oma »O du Fröhliche«. Solange die Oma lebt, ist sie ahnungsloserweise Gast des Krippenspiels namens »Angelika und Jens sind ein Traumpaar«. Überlebte die Oma nicht, würde sie nicht länger belogen. Es gibt Widersprüche, die kann man nicht ohne Unbarmherzigkeit lösen.
     Ich fand »Alpenländische Weihnacht« im Internet und berichtete der Tante, daß Stefanie und Stefan trotz Trennung bei Marianne und Michael sowie an der Seite von Belsy und Florian aufträten. Das war eine gute Botschaft. »So a Stückerl heile Welt«, sang meine Tante durch den Hörer. Das, sagte sie, sei das schönste Lied von der Stefanie und erzählte vom berühmten Teddybärjodler. Den habe Stefanie, sagte sie, noch unter Honecker gesungen. Die Kombination von Plüschtier und Parteivorsitz schien mir reizvoll. Ich bat um eine Kostprobe. Die Tante redete sich auf einen Berg Bügelwäsche heraus und hängte ein.
     Ich dachte an Stefan Mross und ob er noch eine Oma habe. Unmoralischerweise verspürte ich Heißhunger auf Marzipankartoffeln.


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.