Ein Designer des 20. Jahrhunderts

Gerda Breuer (Hrsg.) - „Ferdinand Kramer - Design für variablen Gebrauch“

Red./Sab.

Wegweisendes Design
des 20. Jahrhunderts
 
Ferdinand Kramer (1898-1985) gilt als einer der wichtigsten Architekten und Designer der Gestaltungsmoderne. Mit neuen Vorstellungen vom Gebrauch der Dinge – den Begriff „Mobil-iar“ nahm er wörtlich – verlieh er den sich verändernden Lebensverhältnissen im 20. Jahrhundert Ausdruck und Gestalt. Wie für ein Warenhaus und lange vor Unternehmen wie IKEA schuf Kramer flexible Möbel zum Selbst-Zusammenbauen, modulare Möbelsysteme sowie zerlegbare Tische und Schränke.
Es ist zudem die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen, das Mitdenken des – immer auch sozialen – Umraumes in einem Prozeß des Gestaltens, der sich speist aus dem Geist einer veränderten Sicht auf die Welt, es sind Attribute wie Einfachheit, Variabilität, Klarheit und Benutzbarkeit, die seine Arbeiten ausmachen.
Heute erleben Kramers Entwürfe vom Türdrücker bis zum Couchtisch ein Revival, stehen sie doch für Werte wie Langlebigkeit, Zeitlosigkeit und Nachhaltigkeit, die in Zeiten schwindender Ressourcen wieder von größter Aktualität sind.
Mit etwa einhundertsechzig Exponaten präsentiert das Buch die weltweit größte Sammlung von Designobjekten Ferdinand Kramers.

Eckpunkte von Ferdinand Kramers Schaffen

1920-1938 – Mitarbeit am Neuen Frankfurt
Nützlichkeit, Variabilität, Rationalität standen in den 1920er Jahren aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation der Nachkriegszeit im Vordergrund. Am Frankfurter Hochbauamt unter der Leitung des Stadtbaurates Ernst May war der junge Ferdinand Kramer für Fragen der Normung zuständig. Er entwarf Öfen, Türdrücker und Fensterbeschläge, Sperrholztüren, Möbel für Siedlungen, Schulen und Kindergärten. Nebenher entwickelte er Stühle und Schränke für die Firma Thonet, ähnlich wie sein Vorbild Adolf Loos. Zugleich war er in vielen einschlägigen programmatischen Ausstellungen vertreten, wie 1924 in Stuttgart bei der Werkbund-Ausstellung „Die Form“ oder drei Jahre später in der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ in der Weißenhofsiedlung Stuttgart, wo er ein Reihenhaus von J. J. P. Oud und zwei Wohnungen im Haus von Mies van der Rohe einrichtete.


Ferdinand Kramer, Kücheneinrichtung für Hausrat GmbH, ca, 1926 - © Kramer Archiv


1938-1952 – Emigration in die USA
Nachdem er 1937 aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und mit Arbeitsverbot belegt worden war, emigrierte Kramer 1938 in die USA. Dort faszinierte ihn der mobile Lebensstil der Amerikaner. Er entwarf Miniküchen auf Rädern, „Knock-Down-Furniture“ – zerlegbare Möbel nach dem Vorbild amerikanischer „Knock-Down-Houses“ –, stapelbare, zusammenklappbare, fahrbare Möbel, ganze Wareneinrichtungen nach neuesten Theorien der Wahrnehmung und sogar einen Wegwerf-Regenschirm, den eleganten und erfolgreichen „Rainbelle“.

1952-1963 – Rückkehr nach Frankfurt
Max Horkheimer, ab 1951 Rektor der Frankfurter Universität, holte Kramer 1952 nach Deutschland zurück. Als Baudirektor der Johann Wolfgang Goethe-Universität baute Kramer nicht nur das zerstörte Universitätsgelände mit 23 neuen Gebäuden wieder auf, sondern übernahm auch deren Inneneinrichtung. Hier waren flexible Möbel für den Massenbedarf von Studierenden gefragt. Mit Wiederauflagen aus den 1920er Jahren und dem kd-Möbelprogramm (knock-down), zerlegbaren Tischen und Schränken in einem modularen System, verschiedenen Formaten und vielen Kombinationsmöglichkeiten, schuf er flexible Gebrauchsmöbel. Er wählte auch bewährte, industriell gefertigte Einrichtungsgegenstände, die auf dem Markt schon vorhanden waren, holte sie aus ihrer Anonymität heraus, um sie, teils ergänzt oder verbessert, ohne Rücksicht auf Status der Personen in allen Räumen der Universität einzusetzen. Zurückhaltend und dienend prägten sie sinnfällig eine Atmosphäre, die von einem aufgeklärten, demokratischen Geist bestimmt war.
 
Gerda Breuer:
Ferdinand Kramer, vor allem bekannt als Architekt von Siedlungsbauten innerhalb des „Neuen Frankfurt“ der 1920er-Jahre oder der Goethe-

Ferdinand Kramer, Wegwerfschirm „Rainbelle“, 1951 - © 1951 "Look" © Kramer Archiv
Universität Frankfurt in der Zeit nach 1945, wird in dem Band erstmals umfassend als Designer von Möbeln und Alltagsdingen vorgestellt.
„Bislang ist das Kramersche Design eher als Appendix zu seiner Architektur gesehen worden, das Wohnen, quasi der verlängerte Arm der Architektur. Das ist auch nicht falsch, in dem Buch liegt der Fokus aber ganz auf dem Design: den Möbeln und Möbelprogrammen. Das ist insofern sinnvoll, weil sich an Kramers Design, in meinen Augen sehr viel besser seine intelligenten Reflexionen erkennen lassen“, sagt Prof. Dr. Gerda Breuer.
Am Beispiel zahlreicher Objekte – Lampen, Öfen, Kochtöpfe und Kannen aus den frühen 1920er-Jahren, genormten Fenster- und Türbeschlägen sowie Klein- und Typenmöbel aus der Zeit des Neuen Frankfurt, mit Zeichnungen von Einzelmöbeln und ganzen Warenhauseinrichtungen aus der Zeit von Kramers Emigration in die USA, und Systemmöbeln aus der Goethe-Universität in Frankfurt – gibt der Buchband einen Überblick über das Gesamtwerk.
Die Beispiele basieren auf der weltweit größten Sammlung von Designobjekten Ferdinand Kramers, aufgebaut von Gerda Breuer während ihrer langjährigen Tätigkeit als Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal, ergänzt um seltene Einzelstücke aus dem Besitz von Lore Kramer, der Ehefrau von Ferdinand Kramer.
Kramers Arbeiten stoßen auch nach seinem Tod immer wieder auf großes Interesse. „Zur Zeit erfahren seine Entwürfe ein unvergleichliches Revival und werden als Klassiker auf dem Markt von originalen Vintages und als Nachbauten neu gehandelt“, so Gerda Breuer.
 
Ferdinand Kramer - Design für variablen Gebrauch - Gerda Breuer (Hrsg.)

Texte: Gerda Breuer, Leif Hallerbach, Thilo Hilpert, Ferdinand Kramer, Lore Kramer, Julia Meer, Michael Müller, Wolfgang Thöner

© 2014 Wasmuth Verlag 400 Seiten, 21,5 x 26,5 cm. Softcover/Ganzleinen mit zahlreichen, teils farbigen Abbildungen – ISBN 978 3 8030 3215 7
42,00 €
 
Weitere Informationen:  www.wasmuth-verlag.de 

Redaktion: Sabine Kaufmann