Nazi-Größen als das, was sie waren: Verbrecher

Volker Hesse inszeniert Brechts „Arturo Ui“ in Düsseldorf genal krawallig

von Andreas Rehnolt

Machtergreifung Hitlers als Gangsterstück in Düsseldorf
 
Der Regisseur Volker Hesse setzte Brechts „Arturo Ui“ von 1941
in der Ausweichspielstätte „Central“ genial krawallig um
 
Düsseldorf - In der Ausweichspielstätte „Central“ des Düsseldorfer Schauspielhauses hat jetzt Bertold Brechts Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ eine genial krawallige Premiere erlebt. Regisseur Volker Hesse setzte das 1941 von Brecht geschriebene Gangsterstück um die Machtergreifung Hitlers als wirklich großes Schauspieler-Theater um. Fast schade, daß die Inszenierung in der ausverkauften Spielstätte nur gut 2 Stunden dauerte. Das „Central“ ist mit seinen zahlreichen Treppenstufen und seinen Sitzplätzen an allen vier Seiten geradezu wie eine Arena und damit mehr als ideal für dieses Stück, das auch mit reichlich wehenden Fahnen und gigantischen Videoeinblendungen der Protagonisten daher kommt. Das Bühnenbild von Stephan Mannteufel: Ein einfacher und dennoch packender Augenschmaus.
 
Im Grunde ist das ganze „Central“ die Bühne, in deren Mitte sich unendlich viele Holzstege befinden, über die die Darsteller mal rennen, mal stolzieren, mal kriechen oder mal wie auf einem Modelaufsteg schreiten. Zu Anfang schält sich ein nackter Arturo Ui (großartig widerwärtig: Heisam Abbas) aus dem Morast Chicagos und startet sein Leben und seinen Aufstieg, wobei er stark an Klaus Kinski und seinen Nosferatu-Vampir erinnert. Fast mechanisch, wie er sich bewegt, hohlwangig und stotternd. Doch schon bald hat er eine Gang um sich geschart, die ihm hörig zu sein scheint und im vorauseilenden Gehorsam Vorschläge für die Unterdrückung der Gemüsehändler in der Stadt macht.
Gang-Mitglieder sind Givola (Sven Walser als hinkender Goebbels), Giri (Maximilian Laprell als feist-fetter, ewig lachender Göring) und Ernesto Roma (Achim Buch als sehr auf Körperkontakt zu seinem Führer zielende SA-Chef Röhm), die allesamt Schutzgelderpresser und Totschläger sind. Einer, der alles zuläßt ist der alte Unternehmer Dolgsborough (Wolfgang Reinbacher als stets eine Mitschuld am Geschehen leugnender Hindenburg). Eine ganze Schar weiterer Schauspieler und ein knappes Dutzend Komparsen als geschundene und erniedrigte Gemüsehändler sind auch dabei.
 
Mit Smoking und weißem Hemd nimmt Arturo Uis Hitler Sprach- und Schauspielunterricht. Lernt, sich gerade zu halten, aufpeitschende Reden zu schwingen und dabei noch seine eigentlichen Emotionen zu unterdrücken. Die Händler werden eingeschüchtert, man zeigt ihnen, was passiert, wenn einer nicht mitmacht. Mal brennt ein Laden aus, mal wird die Auslage zerschlagen, mal wird jemand ermordet, der eigentlich vor Gericht als Kronzeuge gegen die Bande aussagen sollte.
Dabei bringt Hesse aslysuchende Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern als Chicagoer Gemüsehändler auf die Bühne. Und schon ist man mitten drin - im bundesdeutschen und europaweiten Flüchtlingsdebakel der Jetzt-Zeit. Und über allem klettert und marschiert Arturo Ui immer höher hinauf auf der Terror-Leiter der Unterdrückung, auf der er sich eins ums andere Mal als Retter aus dem selbstverbreiteten Chaos inszeniert. Natürlich sterben viele, die zwar an Arturo Uis Aufstieg mitverdienen wollten, aber ihn dennoch nicht zu hundert Prozent unterstützen wollten. Jeder, der sich ihm in den Weg stellt, wird ausradiert. Oder gekauft oder aber gekauft und trotzdem ausradiert.
 
Die Bühne am Ende ein Schlachthaus. Der Diktator und Weltvernichter schaut von ganz ganz oben - wie aus einer Zirkuskuppel - auf die von ihm geschundene Welt und triumphiert als Unterdrücker. Seine Schergen schlagen so gewaltig mit ihrem Gehstock (Göring) oder mit ihren Propaganda-Trommeln (Goebbels), daß es in den tinitusgeplagten Ohren des Rezensenten schmerzt. Eine schreckliche Handlung über einen schrecklichen Unmenschen und ein wahnsinniger Theaterabend, dem der lang anhaltende Applaus des Premierenpublikums sicher war.
 
Weitere Vorstellungen: 2., 14., 20., 25. Februar
Mehr Informationen: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de

Redaktion: Sabine Kaufmann