Appell gegen die Unmenschlichkeit

Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ mit Gerd Silberbauer

von Frank Becker


Appell gegen die Unmenschlichkeit

Des Teufels General
Schauspiel von Carl Zuckmayer
 
 
Der Tod auf dem Schlachtfeld ist groß,
ist rein, ist ewig.
(Hartmann)
 
Regie: Klaus Kusenberg - Bühne: Günter Hellweg - Kostüme: Franziska Isensee
Besetzung:
Gerd Silberbauer (General Harras) – Daniel Pietzuch (Adjutant Korrianke) - Thorsten Nindel (Oberst Eilers) - Adrian Spielbauer (Leutnant Hartmann) - Andreas Klein (Sigbert von Mohrungen) - Peter Schmidt-Pavloff (Hauptmann Pfundtmayer) - Markus Fisher (Dr. Schmidt-Lausitz) - Martina Dähne (Waltraut von Mohrungen) - Annette Kreft (Olivia Geiss) - Elisabeth Halikiopoulos (Diddo Geiss)

 
Das Ende einer Karriere
 
Als sich am 17.11.1941 der Genraloberst der Luftwaffe Ernst Udet – Rang-Dritthöchster der Luftwaffen-Hierarchie -  im Alter von 45 Jahren erschoß, endete ein kometenhafter Aufstieg im „Tausendjährigen Reich“ und wurde eine Mystifizierung geschaffen. Das Jagdflieger-As des 1. Weltkriegs machte durch Hermann Görings Protektion in der neu gegründeten Luftwaffe eine Blitzkarriere, trat 1935 als Oberst ein, wurde 1939 zum Generalluftzeugmeister ernannt und erwies sich durch fehlende Ausbildung, fachliche Inkompetenz, nicht zuletzt aber auch mangels Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sprunghaften Göring als unfähig, dieses Amt auszufüllen. Sein selbst gewählter Tod als Konsequenz des Scheiterns der Luftwaffe aufgrund von ihm zu verantwortender Beschaffungsfehler wurde von den Nazis als Unglück verklärt.  
 
Die Stärken
 
Carl Zuckmayer nahm die Figur des Ernst Udet, der zwar kein Parteigenosse der Nazis, jedoch ein vom Glanz geblendeter Mitläufer war, zur Vorlage seines gebrochenen Fliegergenerals Harras in dem kritischen Drama „Des Teufels General“. Und auch er verklärte Udet zum Mann des „inneren Widerstands“, der er faktisch nicht war. Ein Mitläufer war Udet/Harras, der trotz Einsicht in das System des Terrors diese Greuelregimes noch immer die Liebe zum Fliegen und Abschießen von Gegnern über sein Gewissen stellte.
In Gerd Silberbauer fand Regisseur Klaus Kusenberg einen Garanten für die kraftvolle, starke Verkörperung dieses Mitläufers, der in Zuckmayers Drama in auswegloser Situation den „ehrenvollen“ Tod als Flieger sucht. Die Wirklichkeit war anders. Silberbauer aber, der auf der Bühne des Remscheider Teo Otto Theaters in „Schachnovelle“ schon einmal eine durch Curd Jürgens im Film berühmt gewordene Rolle brillant umgesetzt hat und der vor gut einem Jahr als „Professor Unrat“ in Turrinis „Der blaue Engel“ brillierte, lotete Harras´ Charakter facettenreich aus – ein Schauspieler, der bis zur eigenen Erschöpfung spielt.
Das übrige Ensemble kann sich durch die beherrschende Bühnenpräsenz Silberbauers – trotz teils beachtenswerter Leistung – kaum Freiraum verschaffen. Einigen gelingt es doch. So ist Adrian Spielbauer als Jagdflieger-Legende Erich Hartmann (1922-1993), damals ein 19-jähriger Leutnant, eine sensibel gezeichnete Figur gelungen. Sein Monolog im 2. Akt beeindruck tief. Hans Machowiak rückt in der Rolle des Chefingenieurs und Saboteurs Oderbruch ganz leise aus dem Hintergrund, liefert sich mit Harras, ebenfalls im 2. Akt einen mitreißenden Dialog
Zuckmayer/Kusenberg zeigen einen teils geläuterten Harras, der die wahre Tragweite der geduldeten Sabotage des Widerstandskämpfers Oderbruch erst begreift, als sein Freund Eilers mit einer der sabotierten Maschinen in den Tod stürzt.
 
Die Schwächen
 
Fast alle übrigen Charaktere hat Klaus Kusenberg spürbar und gewollt als peinliche, teils unappetitliche Karikaturen überzeichnet, setzt die systemhörigen Flieger, ihre Damen und den „Kulturleiter“ des Propagandaministeriums (Markus Fisher erschreckend gut als wahrhaft fieser Gestapo-Scherge Dr. Schmidt-Lausitz) ihr Gefasel vom Heldentum und ihr Gehabe der Lächerlichkeit aus. Das darf man durchaus tun, konterkariert die Absicht jedoch durch braune Phantasie-Uniformen, die nichts mit der Luftwaffe des 2. Weltkriegs zu tun haben, folglich nicht mit der historischen Realität identifiziert werden können (Kostüme: Franziska Isensee). Das wäre aber nötig gewesen, wollte man Zuckmayers Idee folgen. Das Bühnenbild von Günter Hellweg gibt wie die Uniformierung nicht nur Rätsel auf, es ist schlichtweg häßlich und in Einzelheiten fehlerhaft, bietet kaum Ansätze zum Verständnis der räumlich-/zeitlichen Situation.  
Kurz vor dem verzweifelten Ende erlebt Harras (Udedt war damals 45 Jahre alt) eine letzte große Liebe zu der blutjungen Diddo Geiss (eher farblos: Elisabeth Halikiopoulos), Nichte einer alten Freundin – Harras weiß bereits, daß die süßlich inszenierte Affäre keinen Bestand haben wird.

Silberbauer übersteht ohne moralische Rechtfertigung von Harras´ Charakter all die Regie-Torheiten und Ausstattungsmängel dank seiner kraftvollen Darstellung schadlos. Viel Applaus und unnötigerweise – es ist wie eine inflationäre Pest, die um sich greift –, von einer Handvoll Zuschauer provoziert, stehend gegeben. Was machen die wohl, wenn mal wirklich eine Sensation gezeigt wird?

Übrigens: das Programmheft zum Stück ist mustergültig und informativ.
 
Weitere Informationen:  http://landgraf.de