Hirnströme

„Die Vorsehung“ von Alfonso Poyart

von Renate Wagner

Die Vorsehung
(Solace - USA 2015) 

Regie: Alfonso Poyart
Mit: Anthony Hopkins, Colin Farrell, Jeffrey Dean Morgan, Abbie Cornish u.a.
 
Privat darf man so skeptisch sein, wie man will. Aber wenn man ins Kino geht, ist man ernstlich angehalten, an paranormale Phänomene und Fähigkeiten zu glauben. Doch wem nähme man es eher ab, daß er hellsehen kann, als dem immer so dämonisch wirkenden Anthony Hopkins? Er muss ja nicht unbedingt als Hannibal Lecter anderen Leuten das Hirn aus dem Kopf essen, er kann seine besonderen Gaben ja auch einmal für das Gute einsetzen.
In diesem Fall geht es um Morde, die allerdings seltsam sind. Die „Handschrift“ ist unverkennbar und deutet auf einen Serientäter hin: Interessanterweise aber verschafft der Mörder seinen Opfern einen schnellen und schmerzlosen Tod. Aber ein Muster ist nicht zu erkennen – was haben diese so verschiedenen Getöteten gemeinsam?
 
Genau weiß man es ja nicht, aber vielleicht wendet sich das FBI wirklich an Medien, wenn man nicht mehr weiter weiß? Hier sind Agent Joe Merriweather (der markige, immer so solide wirkende Jeffrey Dean Morgan) und die Blondine Agent Katherine Cowles (hübsch und beflissen, aber auch skeptisch: Abbie Cornish) das Ermittler-Paar, das nicht weiter kommt. Aber da hat man ja noch John Clancy, den Psychiater, der in die Zukunft sehen kann, im Hintergrund: Was man aus der Rolle nur machen kann, kein Zweifel, Anthony Hopkins holt es heraus. Natürlich muß man den alten Mann erst aus seinem Ruhestand holen und mühevoll überzeugen, daß er mitarbeiten soll, aber dann wabern schon an jedem Schauplatz die unsichtbaren Informationen auf ihn zu.
 
Es ist kein Spoiling, wenn man verrät, daß der Serienkiller Charles Ambrose die Züge von Colin Farrell (milde oder geheimnisvoll, je nach Bedarf) trägt. Der ist ein Täter der unüblichen Art und Motivation (es hat mit Gnadentod zu tun). Warum genau er tut, was er tut, was er noch vor hat und wie man ihm das Handwerk legen kann – darum geht es in dem Film des brasilianischen Regisseurs Alfonso Poyart (sein erster in englischer Sprache), Thriller und Mystery zugleich, mit den typischen Elementen, daß der Täter mit der Polizei das übliche Katz-und-Maus-Spiel betreibt und ihnen immer voraus ist, und sei es nur um Minuten.
Dennoch, von der Handlung her ist es nicht wirklich allzu aufregend, von den Schauspielern her schon: Denn auch Ambrose verfügt über mediale Fähigkeiten, und unsere Polizisten haben fast nichts mehr zu vermelden, wenn zwei solche Meister ihres Fachs (und auch gleich starke Meister-Schauspieler) auf einander prallen und ihre Hirnströme aussenden.
Dann ist man als Kinobesucher schon voll in der Geschichte – selbst wenn man im Privatleben dergleichen nie glauben würde. Aber wozu wären große Schauspieler schließlich da, wenn nicht, das Unglaubliche möglich erscheinen zu lassen?
 
Renate Wagner