Was wirklich zählt...(scheint nicht zu zählen)

Ein offenes Wort zum Thema "Kopfnoten"

von Frank Becker

Kopfnüsse...


...hätten all die Neunmalklugen verdient, ob nun Lehrer, Eltern, Schüler oder notorische Verweigerungs-Politiker, die sich jetzt wieder einmal wegen der und gegen die erfolgreiche und nötige Wiedereinführung der sogenannten Kopfnoten in NRW aufplustern und empört gackern.
  
    Was sagen schon (nur) eine Mathe-Note, ein Lob oder Tadel in Sport, Biologie oder Englisch über einen Menschen aus? Sicher sind sie zur Einschätzung der fachlichen Leistung wichtig und nicht verzichtbar. Doch ist es nicht auch Aufgabe der Schule, neben der Vermittlung von Wissen einen anständigen, sozial kompetenten Menschen in die Welt schicken, wenn er seine Schulzeit beendet hat?
  
    Das zu erreichen, helfen ganz gewiß die jetzt wieder von Rot-Grün krampfhaft und lauthals angefeindeten Kopfnoten,
noch bevor ihre noch wackelnde Minderheitsregierung in NRW unter der  schmallippig verkniffenen Hannelore Kraft im Sattel sitzt. Geben diese Noten nicht zuletzt den Eltern Auskunft darüber, wie sich ihr Kind in der Gemeinschaft der Schule verhält und entwickelt. Sind nicht Fleiß, Betragen, Ordnung und Aufmerksamkeit Tugenden, die zu fordern und zu fördern auch im Interesse des Schülers lohnt? Wer könnte schon ernsthaft etwas dagegen haben, das Arbeits- und Sozialverhalten von Schülern beurteilt zu sehen? Wer wirklich Interesse am Fortkommen des Schülers hat, wird mit der Einschätzung seiner Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Selbständigkeit, Verantwortungs­bereitschaft, des Konfliktverhaltens und seiner Kooperations­fähigkeit mehr für ihn tun können, als der Gleichgültige. Zugleich können diese Noten Ansporn für jene sein, die sich sonst gerne auf Kosten und zu Lasten der Gemeinschaft daneben benehmen und durchmogeln. Man fragt sich, worin dieser Eifer der jetzt ohne Mehrheit zur Macht drängenden Politiker begründet ist. Ist es späte Vergeltung dafür, daß sie während ihrer Schulzeit für Mängel in Betragen, Ordnung, Fleiß und Aufmerksamkeit gerügt worden sind? Oder ist es die schlichte Ablehnung jeglicher Kriterien der Meßbarkeit sozialer Integrationsfähigkeit?
  
   Schauen wir einmal etwas genauer hin: Lehrer protestieren. Aha. Fühlen sie sich eventuell nicht in der Lage, eine solche Einschätzung über einen Schüler zu formulieren? Woran könnte das liegen? Gibt man ihnen zu wenig Gelegenheit, sich eingehend mit dem Charakter und der Lebenseinstellung der Schüler zu befassen, fühlen sie sich überfordert oder ist es ihnen einfach nur lästig? Lehrer sind ein Teil der Erziehung, nämlich der öffentliche. Hier sind sie in der Pflicht, auch wenn es ihnen, zugegeben, heutzutage nicht leicht gemacht wird. Doch das darf sie nicht abhalten.
   Eltern begehren auf. Wieso? Vielleicht, weil durch die Kopfnoten ihre eigenen Erziehungsdefizite offenbar und manifest werden? Ja liebe Eltern, sind sie denn nicht daran interessiert, ordentliche, fleißige, aufmerksame Kinder mit gutem Betragen zu haben? Zählen diese Werte nicht mehr? Ist unsere Gesellschaft schon so verkommen, daß nur noch Durchsetzungswillen, Geld und schöner Schein zählen. Besten Dank! - Dann sollten sie eigentlich keine Kinder in die Welt setzen.
   Schüler maulen. Na klar. Protest als verzweifeltes Armerudern, weil es ja toller und viel cooler ist, gegen die  Beurteilung der eigenen sozialen Haltung auf die Straße zu gehen, als sich schlicht und einfach anständig zu benehmen und fleißig zu sein. Ebenso wie "Geiz geil" ist, scheint Anstand

Kopfnoten 1957 - Archiv Musenblätter
uncool zu sein. Nebenbei: den Schülern verüble ich ihren Protest am wenigsten. Sie haben halt noch den Bonus der Unreife.
   Wieso vielleicht Teile der vom Volk gewählten Politiker populistisch die Kopfnoten ablehnen, kann (s.o.) nur vermutet werden. Die Folgen solch mangelnder sozialer Einbindung von Schulkindern werden sich später zeigen.
  
   Wer aber im und am Leben gereift ist, sollte wissen, wie wichtig das frühzeitige Erkennen von sozialen und lerntechnischen Mängeln ist. Nur so nämlich kann man auch rechtzeitig gegensteuern, um betroffenen Schülern noch einen leichter begehbaren Weg ins Leben zu ebnen. Mir ist ein anständiger Kerl mit einer erkämpften Vier in Mathematik lieber als ein unerkannter Rüpel oder fauler Sack, der zwar durch natürliche Begabung und geschicktes Manövrieren passable Noten erreicht, aber nie Engagement oder Teilnahme gezeigt hat. Das gilt genauso für Mädels, die Betragen mit Arroganz - und Ordnung mit Eyeliner verwechseln. Und: wer würde nicht in seinem Betrieb lieber die beschäftigen, die schon in der Vorbereitungszeit aufs Leben gezeigt haben, daß sie begriffen haben, was wirklich zählt...