Bissig sind sie uns lieber...

„Hail, Caesar!“on Joel und Ethan Coen

von Renate Wagner

Hail, Caesar!
(USA 2016)

Drehbuch und Regie: Joel Coen, Ethan Coen
Mit: George Clooney, Josh Brolin, Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Ralph Fiennes, Alden Ehrenreich, Channing Tatum u.a.
 
Die Coen-Brüder eröffneten eben mit „Hail, Caesar!“, einer Hollywood-Selbstbespiegelung, die Berlinale – und das mußte ja gut gehen – dieses renommierte Paar von Drehbuchschreibern / Regisseuren, dieses immer geliebte Thema. Der Jubel brach auch aus, und wer enttäuscht ist, steht in der Ecke und muß versuchen, das zu begründen. Hier der Versuch: Von Joel Coen und Ethan Coen erwarte ich eigentlich Vitriol. „Hail, Caesar!“ wirkt, als hätten sie ein großes Glas Limonade getrunken und sich dann freundlich-freundlich glucksend an das Projekt gesetzt…
 
Dieses läßt, um das gleich vorneweg festzuhalten, einmal jegliche dramaturgische Konsequenz vermissen. Handlungsfäden erscheinen und werden (was geschieht mit dem Geld, das für den Entführten gezahlt wird?) fallen gelassen, Unglaubwürdigkeiten sind nicht als Satire, sondern als Schlamperei zu diagnostizieren, viele schöne Details ergeben ein paar funkelnde Steinchen, aber doch kein strahlendes Mosaik, das von irgendetwas zusammen gehalten wäre. Es geht nur darum, hier und da und im Ende ja doch immer freundlich, bestenfalls sanft ironisch, eine Welt zu pinseln, die es so wohl nicht gegeben hat.
Also begegnet uns im Hollywood von etwa 1951 erst einmal jenes fiktive Studio namens „Capital Pictures“, dem Eddie Mannix in Gestalt eines permanent ziemlich gequälten Josh Brolin vorsteht. Neben all seinen anderen Problemen hat er immerhin noch Zeit, fast täglich zur Beichte zu gehen und dem Pfarrer zu berichten, daß er mit dem Vorsatz, nicht zu rauchen, nicht so recht weiter kommt und auch noch seine Frau deshalb belügt. Schon schlimm. Vor allem, wenn man bedenkt, daß die Coens wie auf dem Reißbrett aufgefädelt haben, was die Klischeesammlung zum Thema Hollywood anno dazumal aufzubieten hat.
 
Natürlich werden bei Capital Pictures viele Filme nebeneinander gedreht, deshalb spazieren im Studiogelände Römertogen und Abendkleider, Mastrosenanzüge und Westernoutfits herum, was ja immer so reizvoll wirkt. Der wichtigste Film, er erinnert stark an „Quo vadis?“, ist „Hail, Caesar!“, wo am Ende ein römischer Feldherr vor Christus am Kreuz ergriffen niederkniet. George Clooney spielt, das permanent törichte Lächeln überziehend, jenen Baird Whitlock, der unschuldig die größte Katastrophe des Films heraufbeschwört: Er wird nämlich entführt. Nicht, wie es heute der Fall wäre, von Terroristen oder von Mafiosi, die das dicke Lösegeld nur eigennützig einstecken würden. Nein, es sind die leidenschaftlich überzeugten Kommunisten Hollywoods (hoppla, hatte McCarthy Recht, gab es die doch?), die mit ihrem Opfer nicht nur sanft und höflich umgehen, sondern auch sofort beginnen, ihn zu indoktrinieren. Schön, wie Clooney die Begeisterung der Dummen reflektiert, die ein paar neue Gedanken hören, diese sofort nachbeten und sich auf einmal für gescheit halten.
Das Kommunisten-Thema wird auf andere (und wieder einmal nicht klar durchgeführte) Art weitergesponnen, wenn da Burt Gurney in Gestalt des immer lächelnden Channing Tatum überraschend gekonnt eine riesige Matrosen-Tanz-Szene anführt (Gene Kelly, lächle herüber) – und am Ende von seinen Kollegen zu einem russischen U-Boot gebracht wird, das sich dramatisch aus der Tiefe erhebt und den Idealisten aufnimmt. Die Kollegen, die ihn rudern, sind übrigens Clooneys Entführer – ob Statisten im Film, ob die Szene gar „echt“ gemeint ist, die Coens nehmen sich nicht die Mühe, uns aufzuklären.
 
Gedreht wird ferner eine Art Esther-Williams-Schwimmshow, in deren Mittelpunkt eine total blonde, immer schlecht gelaunte Diva mit dem schönen Namen DeeAnna Moran steckt – man glaubt Scarlett Johansson die Abgebrühtheit einerseits, daß sie dauernd in Kalamitäten gerät, andererseits.
Und da ist auch noch so ein dümmlicher, kleiner, aber putziger Western-Held namens Hobie Doyle, der offenbar die Teenies entzückt, weil er so schöne Schleifen mit dem Lasso drehen kann – und der folglich in die Verfilmung einer Broadway-Boulevard-Komödie gesteckt wird, ob er will oder nicht, ob der Cowboyhut glaubhaft gegen Abendanzug tauschen kann oder nicht. Man muß schon so begabt und intelligent sein wie (vermutlich) Alden Ehrenreich, um einen so unbegabten und dummen Schauspieler geradezu herzerquickend auf die Leinwand zu bringen. Dieser Handlungsstrang bietet noch Laurence Laurentz (man achte auf die korrekte Aussprache), die Parodie auf einen europäischen Regisseur, der sich eigentlich zu gut ist, eine solche Salonkomödie drehen zu müssen, aber was soll man machen: Ralph Fiennes ist herrlich snobbish.
Ohne die Hollywood-Klatschtanten geht es nicht, es waren üblicherweise Maxwell und Hopper, hier ist es zweimal Tilda Swinton als feindliche Schwestern, immer mit skandalösen Eröffnungen drohend, immer vom Studiochef kalmiert. Trotzdem: Vor so viel Bosheit muß man sich in Acht nehmen!
 
Ja, es ist alles drin, immer wieder lustig, aber eigentlich bekommt man ja nur eine Schar von Trotteln vorgeführt. Nun hätte man ja keine ernsthafte, politische Satire auf das Hollywood damals (das alles andere als harmlos war, so wie hier dargestellt) verlangt – ein bißchen Witz, Schärfe, Salz, Pfeffer hätte es schon getan anstatt des steten milden Lächelns der Regisseure. Kurz, die Coens sind verliebt in ihr fiktives Hollywood der Fünfziger Jahre. Bissig sind sie uns lieber – und sind sie auch besser.
 
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Renate Wagner