Schapp kein Bock

Eine Sprachbetrachtung

von Roderich Trapp

Roderich Trapp - Foto © Bettina Osswald
Schapp kein Bock
 
Jüngere Menschen müssen offenbar inzwischen auf den unterschiedlichsten Kanälen so viel kommunizieren, dass sie keine Zeit mehr haben, vollständige Sätze zu bilden. Deshalb werden vermehrt einzelne Buchstaben oder ganze Worte eingespart. „Schapp“ ist zum Beispiel das neue „Ich habe“. In einem geläufigen Satz wie „Schapp voll kein Bock“ werden auf diese Weise locker ein ganzes „habe“ und gleich noch das eigentlich erforderliche „en“ von „keinen Bock“ wegrationalisiert. Letzteres ist normal, weil jugendsprachlich betrachtet vom Akkusativ nur noch der vordere Teil als Energiequelle fürs Handy benötigt wird.
Apropos Handy: Eine aktive Anwenderin der neuen Kompaktsprache kontaktierte mich diese Woche telefonisch mit folgender Botschaft: „Schruf im Auftrag von wodaphon (Name geändert) an. Mit welcher Gesprächsperson sprechsch?“ Analyisieren wir diese tendenziell für die Erstansprache eines intelligenten Menschen eher suboptimale Sequenz näher, stellen wir folgendes fest: „Schruf“ ist das neue „Ich rufe“, „sprechsch“ ist das neue „spreche ich“, aber was eine Gesprächsperson ist, weiß ich auch nicht.
Immerhin konnte ich mich mit der jungen Dame darauf verständigen, dass ich ich und in diesem Sinne wohl die Gesprächsperson bin, worauf Sie fortfuhr: „Schapp gute Nachricht für Sie. Brauchsch aber erst ihr Kundenkennwort wegen Datenschutz.“ Unter dem Gesichtspunkt, dass mich eine Wildfremde mit mir nicht bekannter Nummer anruft und dann ein Kennwort von mir wissen will, antwortete ich auf Hochdeutsch: „Das gebe ich Ihnen nicht, Sie können doch sonst wer sein.“
Die Replik stieß auf völliges Unverständnis: „Aber schapp tolles Angebot für Sie!“ Da ich erstens keinen neuen Tarif mit 30 Doppelzentnern Downloadvolumen brauche und die Form der Kontaktaufnahme weiterhin fragwürdig fand, antwortete ich ähnlich kompakt: „Mir egal.“ Die Dame drückte noch einmal die Artikulationskompressionstaste und insistierte: „Aber spinn doch von wodaphon und schapp wirklisch tolles Angebot.“
Ich sah mich also gezwungen, etwas weiter auszuholen, und sprach folgende erläuternde Worte: „Ich geben ihnen mein Kennwort nicht, denn Sie könnten ja auch jemand sein, der mich ärgern will und dann damit demnächst bei wodaphon anruft und in meinem Namen für ein Schweinsvermögen einen 30-Doppelzentner-Vertrag mit 4G, LTE und LTU bestellt.“
Die Komplexität dieser Botschaft überstieg offenbar die kognitiven Kapazitäten der Gesprächsperson am anderen Ende der Mobilfunkleitung: „Schweiß nicht wo Problem ist. Und dann erfahren Sie die gute Nachricht ja auch gar nicht.“ – „Die will ich ja auch gar nicht wissen. Deshalb habe ich nämlich auch nicht Sie angerufen, sondern Sie mich“, stellte ich der Sprachakrobatin eine neue Textaufgabe.
Während sie noch über dieses komplexe Problem nachdachte, fand ich aber endlich den Schlüssel, um den einseitigen Gedankenaustausch zu beenden: „Schapp voll kein Bock mehr auf Gespräch. Schleg jetzt auf.“ Diese komprimierte Botschaft drang offenbar durch: „Ah, schverscheth. Auf Wiederhören.“
 
Bis die Tage!
Ihr
Roderich Trapp

© 2016 Roderich Trapp/Rundschau Verlags-Gesellschaft -
Erstveröffentlichung in der Wuppertaler Rundschau am 27.2.2016
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Wuppertaler Rundschau