Der Münchner im Himmel

von Ludwig Thoma

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Der Münchner im Himmel
 
Alois Hingerl, Nr. 172, Dienstmann in München, besorgte einen Auftrag mit solcher Hast, daß er vom Schlage gerührt zu Boden fiel und starb.
Zwei Engel zogen ihn mit vieler Mühe in den Himmel, wo er von St. Petrus aufgenommen wurde. Der Apostel gab ihm eine Harfe und machte ihn mit der himmlischen Hausordnung bekannt. Von acht Uhr früh bis zwölf Uhr mittags „frohlocken“, und von zwölf Uhr mittags bis acht Uhr abends „Hosianna singen“. – „Ja, wann kriagt ma nacha was z'trink'n?“ fragte Alois. – „Sie werden Ihr Manna schon bekommen“, sagte Petrus.
„Auweh!“ dachte der neue Engel Aloisius, „dös werd schö fad!“ In diesem Momente sah er einen roten Radler, und der alte Zorn erwachte in ihm. „Du Lausbua, du mistiga!“ schrie er, „kemmt's ös do rauf aa?“ Und er versetzte ihm einige Hiebe mit dem ärarischen Himmelsinstrument.
Dann setzte er sich aber, wie es ihm befohlen war, auf eine Wolke und begann zu frohlocken:
„Ha-lä-lä-lä-lu-u-hu-hiah!“...
Ein ganz vergeistigter Heiliger schwebte an ihm vorüber. – „Sie! Herr Nachbar! Herr Nachbar!“ schrie Aloisius, „hamm Sie vielleicht an Schmaizla bei Eahna?“ Dieser lispelte nur „Hosianna!“ und flog weiter.
„Ja, was is denn dös für a Hanswurscht?“ rief Aloisius. „Nacha hamm S' halt koan Schmaizla, Sie Engel, Sie boaniga! Sie ausg'schamta!“ Dann fing er wieder sehr zornig zu singen an: „Ha-ha-lä-lä-lu-u-uh – – Himmi Herrgott – Erdäpfi – Saggerament – – lu – uuu – iah!“
Er schrie so, daß der liebe Gott von seinem Mittagsschlafe erwachte und ganz erstaunt fragte: „Was ist denn da für ein Lümmel heroben?“
Sogleich ließ er Petrus kommen und stellte ihn zur Rede. „Horchen Sie doch!“ sagte er. Sie hörten wieder den Aloisius singen: „Ha – aaaaah – läh – – Himml – Himml Herrgott – Saggerament – uuuuuh – iah!“ ...
Petrus führte sogleich den Alois Hingerl vor den lieben Gott, und dieser sprach: „Aha! Ein Münchner! Nu natürlich! Ja, sagen Sie einmal, warum plärren denn Sie so unanständig?“
Alois war aber recht ungnädig, und er war einmal im Schimpfen drin. „Ja, was glaab'n denn Sie?“ sagte er. „Weil Sie der liabe Good san, müaßt i singa, wia 'r a Zeiserl, an ganz'n Tag, und z'trinka kriagat ma gar nix! A Manna, hat der ander g'sagt, kriag i! A Manna! Da balst ma net gehst mit dein Manna! Überhaupts sing i nimma!“
„Petrus“, sagte der liebe Gott, „mit dem können wir da heroben nichts anfangen, für den habe ich eine andere Aufgabe. Er muß meine göttlichen Ratschlüsse der bayrischen Regierung überbringen; da kommt er jede Woche ein paarmal nach München.“
Des war Aloisius sehr froh. Und er bekam auch gleich einen Ratschluß für den Kultusminister Wehner zu besorgen und flog ab.
Allein, nach seiner alten Gewohnheit ging er mit dem Brief zuerst ins Hofbräuhaus, wo er noch sitzt. Herr von Wehner wartet heute noch vergeblich auf die göttliche Eingebung.
 
 
Ludwig Thoma