Der Spott der kleinen Dinge

Vom Wegwerfen

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Vom Wegwerfen
 
Neulich sollte ich wieder konsumieren. Diesmal Kleidung. Ich bin schlecht in Konsum. Ich kann nichts wegwerfen. Meine Frau meint, das sei der Grund, warum ich nie den Müll runterbringe. Ich bin nicht der Typ, der Frauen Illusionen nimmt.
     Meine Wegwerf-Phobie sollte schon mal einen Therapeuten beschäftigen. Er sei wirklich der Beste, hieß es damals, er soll Kinski behandelt haben und die Begum, ich bin nicht hingegangen – mein alter war noch gut.
     Egal, wie deine Haltung zum Materiellen ist: Die Industrie hat die Erfahrung gemacht, daß man bei einem guten Deutschen nur lange genug klingeln muß, dann macht er schon auf. Das Kleidungskonsum-Klingeln ging so: Ein Herrenausstatter lud mich per Post zum „Wochenend-Shopping“ ein. Als Lockvögel fungierten Bochumer Streifenpolizisten. Ich zitiere aus der Einladung: „mit Toto & Harry – die Zwei vom Revier, leckerer Bratwurst. Rabatte bis die Polizei kommt!“
     Ich habe die Einladung dreimal geprüft. Sie ist echt. Das heißt, es sind sowohl echte Polizisten als auch echte Würstchen. Ich fühle mich haltlos in einer Welt, in der Gauner keine Fingerabdrücke mehr hinterlassen und Polizisten Autogramme geben.
     Zum Thema Polizei wollte ich noch sagen, daß ein Freund kurz davor ist, sie zu holen. Der Freund leidet unter Fröschen im Teich seines Nachbarn. Die Frösche machen angeblich einen Heidenradau. Er ist völlig fertig. „Dagegen sind Vuvuzelas ein Stummfilm“, sagt er. Jetzt hat er einen Plastikstorch gekauft. Am ersten Tag waren die Frösche verblüfft. Dann erkannten sie den Schwindel. Er hat dann auf allen vieren den Storch ein bißchen bewegt, was aber nur ein Augenblickserfolg war.
     Wenn früher der Storch kam, war das eine klare Sache. Jetzt ist er die Vorstufe von Polizei oder Rabatt – aber wer kann das heute noch sauber trennen?


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.