Schließlich doch noch Charme

„Lolo – Drei ist einer zu viel“ von Julie Delpy

von Renate Wagner

Lolo – Drei ist einer zu viel
(Lolo / Frankreich 2015)

Drehbuch und Regie: Julie Delpy
Mit: Julie Delpy, Dany Boon, Vincent Lacoste, Karin Viard u.a.
 
Man kann eine Zicke sein, und möglicherweise ist Julie Delpy im Privatleben eine solche. Aber wenn man über ein gerütteltes Maß an Selbstironie verfügt und die Fähigkeit besitzt, diese auch zu kommunizieren, dann kann ein sehr amüsanter Film daraus werden. „Lolo“ ist ein solcher – besser (auch weil weniger geschmacklos) als andere, die sie schon als Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin vorgelegt hat. Denn mit weniger ist das Ego einer selbstbewußten Mittvierzigerin nicht zu befriedigen.
 
„Lolo“ läuft auf drei Ebenen, und die am wenigsten interessante ist die „romantische Komödie“, als die man den Film verkauft. Die Pariser Karrierefrau Violette (Modebranche!) und Jean-René, der Tölpel vom Lande (allerdings ist er ein Computer-Genie, das geht offenbar heutzutage zusammen), beide über 40, mit mehr oder minder erwachsenen Kindern, raufen sich zusammen – das heißt, sie zickt, er ist nett, es bekommt ihm schlecht, Happyend gibt es trotzdem.
Da ist Dany Boon gefragt, der, wenn er nicht (wie so oft im Kino) den Idioten spielen muß, einfach der sympathische Mann schlechthin ist. (Man denkt immer, er verdiene Besseres als das, was er in dem Film bekommt – nicht nur wegen der üblen Dinge, die er einstecken muß).
Die zweite Ebene ist zwar humorvoll und nur am Rande glaubhaft, aber sie tippt eine Frage an, die doch auch im Kino immer wieder thematisiert wird, obwohl es natürlich schrecklich unkorrekt ist, das nur zu denken, es sei denn, es auszusprechen: Wie groß ist das Vergnügen, Kinder zu haben? Man hat das bei dauernd heulenden Säuglingen, kreischenden Kleinkindern, altklugen Schulkindern, unerträglichen Teenagern durchgespielt – Lolo, der Sohn von Violette (unter Locken so treuherzig, aber doch glaubhaft fies: Vincent Lacoste), ist ein Zwanzigjähriger, der sich gerade mit seiner Freundin zerstritten hat, wieder ins „Hotel Mama“ zurückgekehrt ist und gar keine Lust hat, sich von hier verdrängen zu lassen. Hat er doch, wie wir später erfahren und ohne weiteres glauben, schon alle anderen Männer (inklusive dem eigenen Vater) aus Mutters Leben weggeekelt. Er ist schon ein wahrer Meister darin, dergleichen über die Bande zu spielen – also keine direkte Aktion, sondern so hinterrücks wie irgend möglich.
 
Nun, das Juckpulver ist Lustspiel-Material, das Zerstören des Computer-Programms vielleicht eine aktuell mögliche Version, jemanden außer Gefecht zu setzen, tatsächlich geht es darum, wie sehr Mütter – zumal jene, die ihre Kinder allein aufgezogen haben – zu manipulieren sind. Schon wegen des schlechten Gewissens, daß man es gewagt hat, nebenbei Karriere zu machen. Und es ist nicht unaktuell zu beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit Kinder die Eltern vereinnahmen (obwohl nur über das Gegenteil gewettert wird). Sie wolle sich abnabeln, sagt Violette hilflos, als sie versucht, den Sohn vor die Türe zu setzen.
Die dritte und wirklich gelungene Ebene des Films ist die Selbsterkenntnis der Julie Delpy, wie sich die überdrehten Karrierefrauen von heute verhalten, wie sie denken (immer nur um sich und ihre sexuellen Bedürfnisse herum), wo ihre Schwächen liegen (in der Egozentrik und in der Hypochondrie), wie rücksichtslos sie sich gegen die Männer verhalten. Das erlebt man vor allem in den Gesprächen mit ihrer Freundin Ariana (Karin Viard), desgleichen aber auch in den Fetzen der Geschäftswelt, die man zu sehen bekommt (wo dann, bei einer der Modeveranstaltungen, auch Karl Lagerfeld nasal als er selbst auftritt). Julie Delpy verkündete, sie habe sich in dieser Figur von ihrer Mutter inspirieren lassen – kein Wunder, daß da nur schräge Vögel als Nachkommen auf diese Welt purzeln können…
Bei allen Unebenheiten der verschiedenen, hier zusammen gewebten Geschichten, hat der Film doch Charme – jenen von Dany Boon, dazu die hintergründige Frechheit von Vincent Lacoste und die in diesem Fall wirklich liebenswerte Selbstironie der Julie Delpy. Und jeder Besucher kann sich aus diesem Konglomerat herauspicken, worauf er persönlich am meisten anspringt.
 
Trailer   
 
Renate Wagner