Bestsellerfressen

„Dschungelkind“ von Sabine Kuegler

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Überdosis faule Fledermausflügel
 
„Dschungelkind“
von Sabine Kuegler
 
Liebe Leser!
Ich hab’ schon lang nicht mehr blindwütig wild drauflos zitiert. Heute ist so ein Tag. Meine verehrten Herrschaften! Heissa und hereinspaziert! Hier der komplette Klappentext:
„Geboren 1972 in Nepal, kam Sabine Kuegler mit fünf Jahren in den Dschungel von West-Papua, wo ihre Eltern, deutsche Forscher und Missionare, einen neuen Wirkungskreis ge­funden hatten(?!) . Zusammen mit ihren beiden Geschwistern verlebte sie dort ihre Kindheit und Jugend fernab der Zivilisa­tion. Mit 17 Jahren kehrte Sabine Kuegler nach Europa zu­rück(?). Sie studierte Wirtschaft, arbeitete im Hotel­fach und
in der Marktforschung, bekam vier Kinder und gründete eine eigene Medienfirma. Heute lebt sie in der Nähe von Buxte­hude.“

Legen wir einen kleinen Zwischenstop ein! Das Einzige, was mich bisher nicht irritiert hat, ist die Interpunktion. Aber das soll nicht unser Problem sein. Außerdem klärt sich ja auch manches, wenn man simpel weiter­zitiert – auch wenn es uns unvorstellbar scheint:
„Was uns unvorstellbar scheint: Sabine Kuegler hat es erlebt. Sie verbrachte die Jugend mitten im Dschun­gel beim Volk der Fayu, einem vergessenen Stamm von Kannibalen.“
Oha! Kannibalen! Und dann noch vergessene! Jetzt wird’s spannend.
„Bis sie siebzehn war, kannte sie kein Fernsehen, keine Autos und keine Geschäfte. Sie spielte nicht mit Pup­pen, sondern schwamm mit Krokodilen im Fluß und erlebte schon früh die alten Rituale des Tötens.“
Die Rituale des Tötens der Krokodile? Und wie ... kein Fernsehen, keine Autos, keine Puppen ... das ist aber hart!
„Die Natur war ihr Spielplatz, der Dschungel ihre Heimat, der Himmel ihr Dach. Anstatt Pommes isst sie geröstete Insekten, anstatt Kaugummi kaut sie Fledermausflügel.“
Fledermausflügel! F l e d e r m a u s f l ü g e l !! Hmmm, Chewing wings of Fledermaus! Is dat lecker?
„Sie lernt, wie brutal die Natur sein kann, aber auch, was Krieg und Haß zwischen Menschen bedeuten. Hmm. Mit siebzehn Jahren wird Sabine auf ein Schweizer Internat geschickt – ein katastrophaler Einschnitt für sie, die wie eine Fayu fühlt und handelt.“
... die wie eine Fayu fühlt und handelt. ’tschulligung, wenn ich plötzlich alles wiederhole! Nur manchmal glaubt man halt bei der Lektüre solcher Texte, ’nen Fledermausflügel verschluckt zu haben.
„Heute, nach Jahren in Europa, ist ihre Seele gefan­gen zwischen zwei Kulturen. ‚Angst habe ich erst hier kennen gelernt’, sagt sie.“
Hier lauern ja auch an jeder Ecke hungrige Autos, wilde Killerpuppen und vergessene, kannibale Fernsehapparate! Und der Droemer-Knaur-Verlag !
„Heute, nach Jahren in der Zivilisation, hat sie sich äußerlich gut angepaßt (siehe Droemer-Knaur-Verlag). Doch immer ist da Heimweh, eine Sehnsucht, die stän­dig in ihr brennt. Sie wird in den Dschungel zurück­kehren, um für sich herauszufinden: Wo gehöre ich hin? Wer bin ich eigentlich, Fayu oder Euro­päerin?“

So wie es tatsächlich einen Erich von Däniken gibt, so mag es unter Umständen auch eine Sabine Kuegler geben. Nur daß im Vergleich zu deren Geschisse die Geschichten von Struwwelpeter, Jesus, Mohammed und Max und Moritz knallharte Realitäten sind. Mindestens so hart wie die des Droemer-Knaur-Verlags.
So weit zu gehen und zu sagen, Familie Knaur-Droemer hätte sich in ’ner stillen Stunde ’ne Überdosis faule Fleder­mausflügel reingepfiffen & diese Dschungelnummer im Großen und Ganzen und von vorne bis hinten an den Verlagshaaren herbeigezogen oder simpel aus'n Fingern gesogen ... also, ich persönlich nehme eher an, sie hat sie einfach nur von A bis Z, quasi von Alpha bis Omega erstunken und erlogen.
Und zu dieser Dramaturgie gehört – wie der Kannibal zum Ritual – auch die „Danksagung“ auf Seite 345, die diese ominöse Sabine mit den blauen Kulleraugen folgen­dermaßen formuliert:
„Ich danke dem Droemer-Knaur-Verlag, meiner Lektorin Carolin Graehl, die mit viel Einfüh­lungsvermögen meine englisch-deutsche Grammatik ins Lesbare übersetzte und
so meinen Stil bewahrte, und vor allem Dr. Hans-Peter Übleis, der seit Beginn an den Erfolg dieses Buches geglaubt hat“


Werter Droemer-Knaur-Verlag!
Und hiermit möchte ich mich dem Dankeschön Ihrer Urwald­-Biene an­schließen. Und wissen Sie auch warum? Weil es immer wieder wichtig ist zu wissen, in was für einem Land man eigentlich lebt.
Gute Nacht.

Dez. 2005