War sie die berühmteste Guggenheim?

„Peggy Guggenheim“ von Lisa Immordino Vreeland

von Renate Wagner

Peggy Guggenheim –
Ein Leben für die Kunst

Peggy Guggenheim: Art Addict
(GB, Italien, USA 2014)

Regie: Lisa Immordino Vreeland
Dokumentation
 
War Onkel Solomon der berühmteste Guggenheim? Schließlich hat er Frank Lloyd Wright 1959 das Guggenheim Museum bauen lassen, den unverwechselbaren Bau am Central Park, der sich mit so genialischem Schwung in die Höhe windet. Nichte Peggy nannte das eine Garage – so baue man in Europa Parkhäuser, ätzte sie.
War sie die berühmteste Guggenheim? Vielleicht. Ihr Museum in Venedig, direkt am Canal Grande, kann es als Anziehungspunkt mit dem Museum des Onkels aufnehmen. Und Peggy ist, spätestens seit sie ihre freizügigen Memoiren geschrieben hat, als Femme fatale der Kunstszene eine Art Ikone, der nur das fehlte, was andere Ikonen oft besitzen – körperliche Schönheit. Sie schmückte sich dafür mit Künstlern.
Peggy ist Geschichte, sie lebte von 1898 bis 1979, und dennoch kann man aufgrund vorhandenen Dokumentarmaterials auch heute noch einen Film über sie drehen, wie es die italienische Filmemacherin Lisa Immordino Vreeland unter dem Titel „Peggy Guggenheim: Art Addict“ nun unternahm (wobei es die Bezeichnung „kunstsüchtig“ eher trifft als der fade deutsche Titel „Ein Leben für die Kunst“). Streng nach den Regeln des Genres, sodaß es eigentlich immer eher wie ein Stück Information wirkt, das man sich normalerweise bei arte holt, weniger im Kino. Aber man rechnet vermutlich damit, daß die schillernde Persönlichkeit von Peggy sowohl Feministinnen wie Kunstfreunde ins Kino bringt.
 
Die Basis des Films sind Original-Aussagen von Peggy Guggenheim, die einer sehr nachdrücklichen Interviewerin gegenüber höchst offen und direkt war. Sie unterliegen fast die ganze Zeit den Bildern, wenig Filmmaterial, sehr viele Fotos, dazu kommen noch Aussagen von Fachleuten, die Peggy gekannt haben (auch offenbar älteren Datums). Es ist eine Collage, die mit viel Mühe und auch Kompetenz zusammen gestellt wurde und von einer Sammlerin berichtet, deren Motive (sie entdeckte die Kunst erst mit etwa 40 Jahren) nicht wirklich klar werden. Ob der Film dem Geheimnis dieser Persönlichkeit wirklich auf den Grund gegangen ist? Was trieb diese Frau, die sich selbst als nicht geltungssüchtig bezeichnete, letztlich wirklich an? Man vermöchte es auch nach diesen eineinhalb Stunden nicht zu sagen.
Ihr Vater war einer der reichen Guggenheims, ihre Mutter aus der noch viel eleganteren – „jüdischer Adel“ – Familie Seligman, Nach dem Tod ihres Vaters, der mit der „Titanic“ unterging, erbte sie mit einer halben Million Dollar damals ein ganz schönes Vermögen „zum Spielen“ – in Zeiten, wo man Gemälde, die heute um Hunderttausende und mehr gehandelt werden, um ein paar hundert Dollar kaufen konnte.
Und Peggy kaufte. Man tut sich mit dem Film leichter, wenn man ein bißchen mehr von moderner Kunst weiß und kennt als nur Picasso (mit dem sie übrigens nicht viel zu tun hatte). Sie sammelte Kunst der Zeitgenossen, war Galeristin, Mäzenin (sie hat Jackson Pollock nicht nur „entdeckt“, wie es heißt, sondern auch mit regelmäßigen Summen unterstützt). Sie rettete aus dem von Nazis besetzten Paris nicht nur eine Unzahl von Gemälden, die damals bei den Deutschen als „entartet“ galten, sondern auch Künstler. Wobei sich immer wieder jede Menge Klatsch ins Geschehen mischt, und Peggy ganz offen über die sexuelle Zügellosigkeit spricht, die ihr Leben bestimmte.
Daß sie mit Max Ernst verheiratet war, machte sie nicht so beneidenswert, wie man glauben konnte – er hatte sie nur ihres Geldes wegen genommen, war sündig eitel und betrog sie dauernd. Daß sie ein paar Tage ohne Unterbrechung mit Samuel Beckett im Bett verbracht hat, zeigt, daß ihr das Beste gut genug war. Ob die Künstler nicht heimlich über die reiche Amerikanerin die Nase rümpften – das werden sie wohl nur selbst wissen. Wieviel sie von Kunst verstand, wer kann es sagen? Doch sie hat sich in Kunst eingehüllt und als Sammlerin Bemerkenswertes zusammen getragen. Dabei pflegt Gestalterin Lisa Vreeland doch den „weiblichen Blick“ und läßt uns wissen, wie unglücklich die reiche Dame war (was man von vielen „Erbinnen“ sagen kann) – ihr Vater, ihre Schwester, ihre sehr „seltsame“ Tochter starben auf tragische Weise, mit dem Sohn war sie nicht wirklich glücklich, befriedigende Langzeitbeziehungen kannte sie nicht. Trotzdem muß man nicht in Mitleid schwelgen. Schließlich hat sie mehr aus ihrem Leben gemacht als andere reiche Frauen, die nur Pelzmäntel und Klunker sammeln

Renate Wagner