Alice im Wunderland:
Hinter den Spiegeln (Alice Through the Looking Glass - USA 2016) Regie: James Bobin
Mit: Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway, Sacha Baron Cohen, Rhys Ifans u.a. Es ist das altbekannte Problem mit Fortsetzungen: Man möchte die Figuren, die einmal viel Geld eingespielt haben, unbedingt noch einmal auf die Leinwand bringen, weiß aber nicht so richtig, was man mit ihnen anfangen und was man über sie erzählen soll (man denke nur an die Leere der Filme mit immer denselben Comic-Figuren). Eine Fortsetzung der „Alice im Wunderland“, die sich nicht mehr auf das Lewis Carroll-Original bezieht, nur mit ein paar bekannten Gestalten spielt, ertrinkt zwar in Effekten – wie das schon einmal so ist heutzutage -, aber nachher bleibt der schale Geschmack, daß es wohl außer Spesen nicht viel gewesen sei…
2010 war die Alice des Lewis Carroll von Tim Burton ins Wunderland geschickt worden, ein enormer Erfolg, obwohl man damals schon den Eindruck hatte, daß die optische Schaumschlägerei die poetische und skurrile Kostbarkeit des Kinderbuch-Originals entschieden hektisch vergröberte. Immerhin, mit Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter und Anne Hathaway sowie Tier- und Phantasiefiguren aus dem Computer hatte man eine Besetzung, die sich mit Einspielergebnissen von über einer Milliarde Dollar (!) unter die finanziell erfolgreichsten Filme der Welt katapultierte. Also! Fortsetzung!
Linda Woolverton bekam den Auftrag, als Drehbuchautorin Alice noch einmal ins Wunderland zu schicken und erneut mit dem verrückten Hutmacher, der Roten und der Weißen Königin zusammen zu mixen. Die Rahmenhandlung, die nicht sehr bedeutend ist, zeigt Alice als junge Frau, die entschlossen ist, auch im Viktorianischen Zeitalter ihre Unabhängigkeit zu behaupten – in der Schiffsbranche, sogar ihr eigener Kapitän. Diesen „erwachsenen“ Rahmen braucht es, denn wenn Hauptdarstellerin Mia Wasikowska auch erst 26 Jahre alt ist, so wirkt sie doch älter (und war schon vor sechs Jahren nicht wirklich das Kind, das kleine Mädchen Alice, das ihr Autor einst geschaffen hat).
Ein kurzer dramaturgischer Trick, und schon hat man sie wieder ins Wunderland verfrachtet, denn sie muß ihren alten Freund, den Hutmacher, retten. Man wird den Eindruck nicht los, daß Johnny Depp keine übertriebene Lust auf seine alte Rolle hatte, denn er liegt meist kreidebleich im Bett und gibt vor zu sterben. Denn man hat seine Familie verschwinden lassen, und das verwindet er nicht – in allerhand Rückblenden wird die Hollywood-Küchentisch-Psychologie beschworen, die den kleinen Hutmacherjungen zeigen, wie er vergebens um die Anerkennung seines Vaters (Rhys Ifans) kämpft.
Damit die Familie nicht verzaubert wird, darf die Rote Königin (wieder eine herrliche Karikatur: Helena Bonham Carter, deren Riesenkopf auf einem kleinen Körper sitzt, da blüht die Trickfilmkiste) nicht eine böse Königin sein. Um das zu verhindern, müßte man in der Zeit zurückgehen, als sie und ihre Schwester, die nunmehrige Weiße Königin (Anne Hathaway, mit den ungewohnten blonden Locken, diesmal gar nicht sooo brav), noch Kinder waren. Der Streit, in dessen Folge sie davonlief, gegen den Brunnen prallte und den Riesenkopf und das böse Wesen davontrug, dürfte gar nicht stattfinden.
Kurz, zurück in die Vergangenheit, Zeitreisen sind ja ein fester Bestandteil jeglicher Fantasy-Welten. Und hier wird die Zeit, die Riesenuhr, gleich von Sacha Baron Cohen verkörpert. Und der Film hat in der Regie von James Bobin eigentlich kein anderes Interesse, als Alice mit solcher Geschwindigkeit von einer Szene in die nächste zu schleudern, daß man als Zuschauer kaum etwas wirklich wahrnimmt. Nur ein paar scheinbar auch so tiefgründige Weisheiten über die Zeit (Banalitäten, die jeder Mensch aus eigener Erfahrung weiß), werden verkündet…
Die übrigen Figuren (aus dem Computer) wie Grinsekatze, weißes Kaninchen, Raupe, Dideldum, Humpty Dumpty und andere sind diesmal schmählich vernachlässigt, aber es ging dem Regisseur offenbar nur um die Riesenshow in grellen Farben und visuellen Kunsteffekten. Was den Zuschauer da an schriller, schneller Wahnwitzigkeit überfällt, kann man nur Overkill nennen – am Ende ist man erschlagen und trägt wenig heim.
Renate Wagner
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