Trash, Kitsch, Klischees - reicht nicht

„Sky“ von Fabienne Berthaud

von Renate Wagner

Sky – Der Himmel in mir
(Sky - Frankreich 2015)

Drehbuch und Regie: Fabienne Berthaud
Mit: Diane Kruger, Norman Reedus, Gilles Lellouche, Joshua Jackson u.a.
 
Die mit Abstand beste Szene des Films findet sich am Anfang. Irgendwo in einem trostlosen US-Motel am Rande eines Nationalparks labert ein schon ziemlich betrunkener französischer Ehemann, der seine Frau auf dem Zimmer zurück gelassen hat, zwei Nutten an und weint ihnen so eklig wie penetrant vor, wie schlecht seine kinderlose Ehe ist und wie wenig er mit seiner Frau anfangen kann. Peinlich, wenn diese dann dasteht und ihn aufs Zimmer zurückbringt.
Nun könnte man sich vorstellen, daß der Film, den die französische Regisseurin Fabienne Berthaud im amerikanischen Ambiente gedreht hat, vielleicht eine ganz griffige Zimmerschlacht ergeben könnte. Mitnichten. Was sie sich in ihrem haarsträubenden Drehbuch da alles ausdenkt – das ist zu viel und zu wenig zugleich, denn eines fehlt gänzlich: nämlich die Glaubwürdigkeit dessen, was da geschieht.
 
Also, betrunkener Ehemann will mit seiner ganz schlecht gelaunten Gattin schlafen, mit Gewalt, sie haut ihm die Lampe über den Schädel, hält ihn für tot, springt ins Auto und fährt los – verzweifeltes Road Movie, wo kann sie landen?
Aber sie ist ja durch und durch edel, das schlechte Gewissen peinigt sie, bei der nächsten Polizeistation gesteht sie den Mord. Der überaus sympathische Polizist wird übrigens von dem (im Privatleben) überaus sympathischen Freund der Hauptdarstellerin (Joshua Jackson) gespielt. Ein Telefonat genügt, Gatte liegt mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Sie fährt erleichtert zurück, der Kotzbrocken entschuldigt sich bei ihr – na also, zweite Chance? Mitnichten, jetzt verläßt sie ihn erst recht. Warum? Weil’s im schlechten Drehbuch steht.
Nun ist diese Dame mit dem schönen Namen Romy eine Pariserin, von der man außer ihrer schlechten Ehe nichts weiß – was, um Gottes Willen, kann sie bewegen, nicht heimzukehren, sondern in den USA herumzutrampen und ohne Geld in Las Vegas zu landen? Nur, weil solche Selbstfindungstrips ins Ungewisse als Sujet so modern sind? Dann müßte man wenigstens ihr Scheitern analysieren…
Also, Las Vegas, nein, sie landet hier nicht in den Spielsalons, das wäre ja zu nahe liegend, sie sucht sich einen Job als Bunny (!), eines jener Unglücksgeschöpfe, das neben den vielen Elvis-Imitaten auf der Straße steht und hofft, von Touristen für ein Trinkgeld fotografiert zu werden. Das ist doch eine Lebensstation.
Tolles Schicksal, aber es kommt noch toller – da läuft ihr der schräge Kerl über den Weg, der nach eigener Aussage immer nach Vegas kommt, um seine sexuellen Bedürfnisse ohne weitere Verpflichtungen mit einer Nutte zu erledigen. Sie macht klar, daß sie keine Nutte ist, landet dennoch mit ihm im Bett, es gefällt ihr (offenbar zum ersten Mal seit langer, langer Zeit) – und er ist dann weg. Wie zu erwarten.
Nun stalkt sie ihn, findet ihn, folgt ihm ins kalifornische Nirgendwo einer öden Kleinstadt, und was soll man sagen, unsere Pariserin landet bei dem, was man White Trash nennt, den unglückseligen, niveaulosen Proletariern, was auch heißt, daß sie sich im Coffee Shop ihr Geld verdienen muß…
 
Und was sich nun noch alles tut (samt Indianer-Oma, die ihr gleich sagt, daß sie schwanger ist), akkumuliert die Unerträglichkeit von Schwersterkrankung, Tod und dennoch Kinderglück, kurz, so viel Unsinn, daß man sich wirklich fragt, was der Filmemacherin hier eingefallen ist… Noch nie hat man eine „Selbstfindung“ weniger glaubhaft gefunden.
Diane Kruger ist die schöne Deutsche, die nicht zuletzt der Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in der englischen und französischen Sprache bewegt, eine Karriere im internationalen Film verdankt. Sie hat sich der französischen Regisseurin schon zweimal anvertraut und tut es hier wieder, nicht zu ihrem Besten. Sie kann viel mehr, als ihr dieser Kitsch abverlangt, aber eines kann sie nicht, nämlich die absolute Unglaubwürdigkeit ihrer Figur dem Publikum irgendwie nahe zu bringen.
Gilles Lellouche als mieser Ehemann und Norman Reedus als ihre todkranke Sheriff-Liebe mögen als Typen stimmen, machen aber noch keinen Film. Und das USA-Ambiente zwischen Naturpark-Schönheit zu Beginn, Vegas-Glitzerwelt und irgendwo im Nirgendwo (selbst wenn ein paar pittoreske Indianer dabei sind) reicht auch nicht.
 
 
Renate Wagner