Von den Freuden und Leiden des zarten Vogels Kindheit und dem Getriebensein eines Unglücklichen

Patrick Süskind – „Die Geschichte von Herrn Sommer“

von Frank Becker

Titelzeichnung: Sempé
Von den Freuden und Leiden
des zarten Vogels Kindheit
und dem Getriebensein
eines Unglücklichen
 
Welches Buch Patrick Süskinds man auch immer zur Hand nimmt, jedes ist ein Hochgenuß. Beginnend  mit dem „Kontrabaß“, über „Die Taube“ und  „Das Parfüm“, dessen für unmöglich gehaltene Verfilmung Tom Tykwer schließlich doch gelang, bis hin zu der 25 Jahre nach ihrer Erstausgabe jetzt von Süskinds Hausverlag Diogenes als hinreißende Sonderausgabe produzierten zarten, liebenswerten und dramatischen Erzählung „Die Geschichte von Herrn Sommer“ sind Süskinds Bücher, sicher auch in Erbteil seines Vaters W.E. Süskind, sprachliche Meisterwerke, literarische Perlen.
 
In „Die Geschichte von Herrn Sommer“ erzählt er die tragische Geschichte eines Getriebenen, eines Mannes, der seine Ruhe, seinen Mittelpunkt verloren hat - ein Unglücklicher, ein Ahasver, rastlos, stumm und eiligen Schrittes die Welt auf der Suche nach sich selbst und dem Sinn durchmessend. „Es mochte schneien oder hageln, es mochte stürmen oder wie aus Kübeln gießen, die Sonne mochte brennen, ein Orkan im Anzug sein, Herr Sommer war auf Wanderschaft“. Der Leser erfährt die Geschichte durch die Augen eines kleinen Jungen, dessen Kindheit mit all ihren wiedererkennbaren Erfahrungen den humorvollen Rahmen für das tragische Schicksal des Herrn Sommer bildet. Wir erleben Schule, kindliche Verliebtheit und Enttäuschung, Kletterbäume und die mit ihnen zusammen hängenden physikalischen Grundgesetze, Klavierstunden und  die Geheimnisse des Fahrradfahrens - eben das ganze Universum eines Jungen auf dem Weg zum erwachsen werden. Und wir nehmen an der ergreifendsten und einschneidendsten Lebenserfahrung des Knaben teil, seiner Entscheidung, den freien Willen eines Lebensmüden zu akzeptieren.
Der wunderbare Humor Süskinds, die Selbstironie des Ich-Erzählers steht brillant gesetzt neben der Tragik, der Süskind mit tiefer Achtung vor dem Schicksal Raum läßt. Ein Lesevergnügen wie schon vor 25 Jahren, zusätzlich geadelt durch die feine flexible Leinen-Luxus-Ausgabe im Taschenformat.

Das zauberhafte Buch kann ich aus tiefstem Herzen unbedingt und ohne Vorbehalt empfehlen, denn es schenkt ungeteiltes Vergnügen, auch dadurch, daß man es durch sein Kleinformat (
15 x 9,5 cm) bequem in der Jacken- oder Handtasche bei sich haben kann. Die liebevolle Gestaltung mit den farbigen Zeichnungen, die Jean-Jacques Sempé für das Buch angefertigt hat und das haptische Vergnügen fügen noch ein Sternchen hinzu. Es gibt also eine Menge Gründe, dieses köstliche Bändchen zu unserem Buch des Monats zu machen und mit dem Musenkuß auszuzeichnen.
Ein Tip: Auch das Hörbuch kaufen, hören und zugleich mitlesen = doppelter Genuß. Der für seine hohe Kunst und delikate wie kultivierte Sprache vielfach geehrte Bühnen- und Fernseh- Schauspieler Hans Korte hat Patrick Süskinds zauberhafte Erzählung nämlich kongenial gelesen.
 
Patrick Süskind – „Die Geschichte von Herrn Sommer“
(Erzählung)
© 1991 / 2016 Diogenes Verlag AG Zürich / Diogenes Deluxe
117 Seiten, flexibles Leinen mit farbiger Umschlagillustrationen und farbigen Illustrationen von Sempé, 15 x 9,5 cm, Lesebändchen – ISBN 978-3-257-26130-1
10,- €

Weitere Informationen unter:  www.diogenes.ch