Gut gemachtes, gut gespieltes Kino von gestern

„Verräter wie wir“ von Susanna White

von Renate Wagner

Verräter wie wir
(Our Kind of Traitor - GB 2015)

Regie: Susanna White
Mit: Ewan McGregor, Stellan Skarsgård, Naomie Harris, Damian Lewis, Jeremy Northam u.a.
 
So richtig schön „altmodische“ Filme wie diesen gibt es selten. Aber schließlich beruht er auch auf einem Roman von John le Carré, und dieser „Klassiker des Spionageromans“, heute hoch in den Achtzigern, ist auch nicht mehr der Aktuellste. Obwohl der Roman, auf dem „Verräter wie wir“ beruht, aus dem Jahr 2010 stammt und – da der Autor ja nicht mehr mit dem „Kalten Krieg“ operieren kann, von dem er Jahrzehntelang gelebt hat – sich nun die russische Mafia her nimmt.
Sagen wie es gleich: Was le Carré einst war, zwischen Buchdeckeln und damals auf der Leinwand (unvergessen: „Der Spion, der aus der Kälte kam“, 1965 mit Richard Burton und Oskar Werner!), das ist es nicht mehr. Aber eine schöne, leidlich spannende Geschichte, die à la James Bond oder „Mission Impossible“ an vielen pittoresken Schauplätzen spielt, wird es allemal – aber alles bleibt doch noch im Rahmen, und es gibt auch keine kunstvoll aufgepfropften Autojagden oder Kampforgien. Im Grunde strebt die Geschichte an, wenigstens einigermaßen glaubhaft zu sein.
 
Es beginnt in Rußland, eine glanzvolle Ballettaufführung, danach ein Galadiner, der ultimative Luxus. Nebenbei werden Dokumente unterschrieben, und einer der Kapazunder begibt sich mit Gattin und junger Tochter auf den Weg nach Hause. Aufgehalten von einer Polizeistreife, zieht der vermeintliche Polizist die Maschinenpistole und mäht die Familie nieder. So viel zur Exposition.
Dann sind wir in Marokko und merken, daß sich das britische Ehepaar Gail und Perry in seinem Luxushotel gar nicht gut versteht – später erfährt man, daß der Literaturprofessor mit einer Studentin geschlafen hat, was die Anwältin-Gattin verständlicherweise nicht gern hat. Kurz, der Eheversöhnungs-Urlaub fällt nicht so gut aus, und als Gail den Gatten abends im Restaurant sitzen läßt und davon rauscht, erbarmt der zerknickte Brite offenbar einem lauten, aufbrausenden Russen: Dima (einen anderen Namen erfährt man nicht) schleppt den Widerstrebenden ab, große Party, großes Besäufnis, große Freundschaft. Aber warum?
Zugegeben, vieles an der Geschichte ist voraussehbar. Daß Dima, seinerseits Mafioso, Geldwäscher der Mafia, zu Recht besorgt um sein eigenes Leben und das seiner Familie, einen braven Briten braucht, der seine Botschaft an das MI 6 bringt – Geheimnisverrat für Sicherheit und politisches Exil. Und immerhin gerät Perry mit Hector an einen Beamten, der leidenschaftlich gern die schmutzigen Geldgeschäfte der Russen aufdecken will, zumal sich viele britische Politiker (hier ist es Aubrey Longrigg mit der Möglichkeit, unter der Hand viele Gefälligkeiten zu erweisen) mit Millionensummen bestechen lassen. Aber, auch das sieht man voraus: Die Briten wollen Fakten, Fakten, Fakten, bevor sie etwas für den Überläufer tun, und dieser möchte seine Atouts nicht aus der Hand geben, bevor seine Familie nicht in Sicherheit ist…
Nun, für Perry und Gail, die hier aus reiner Menschlichkeit helfen, erweist sich die Hetzjagd durch Europa – Paris, Bern, französische Alpen – wenigstens als Ehekitter. Das Publikum hegt tiefe Sympathien für Duma, auch wenn man weiß, daß er selbst ein Gangster ist: Aber doch auch ein so besorgter Familienvater! Und die bösen britischen Behörden tun nichts dagegen, daß die noch böseren Mafiosi den Flüchtenden letal auf der Spur sind.
Nein, das ist natürlich nur in Grenzen spannend, wenn man denkt, was „nicht-altmodische“ Filme heute im Thriller-Genre bieten. Dafür aber ist dieser in der Regie von Susanna White (sonst eher zuständig für Historisches, Humoristisches und Fernsehen) einfach liebevoll gemacht und hochkarätig gespielt.
 
Stellan Skarsgård mag noch so sehr Skandinavier sein, den lautstarken, saufenden, aufbrausenden und letztlich gefährlichen Russen zwischen Sentimentalität und Härte glaubt man ihm jederzeit. Genau so, wie Ewan McGregor – der mittlerweile älter wirkt als seine 45 Jahre – die ideal „unauffällige“ Persönlichkeit für einen Literatur-Professor ist, dem man dennoch glaubt, daß er sich aus Hilfsbereitschaft in ein Abenteuer stürzt. In der kaffeebraunen Britin jamaikanischer Abstammung Naomie Harris hat er eine absolute Schönheit zur Frau, die Intelligenz und Entschlossenheit jede Sekunde vermitteln kann.
Dabei hat Damian Lewis als MI 6-Mann nicht nur die interessanteste Rolle, er macht auch (man kennt ihn doch sonst als fröhlichen Rotschopf und hier ist er ein wirklich verquält-tragischer Kämpfer für das Recht) die erstaunlichste optische Verwandlung durch. Jeremy Northam hingegen gibt einen bestechlichen Politiker, wie man sich diese glatten Kerle, die immer davonkommen, vorstellt.
So richtig ein Happyend haben Roman und Film nicht zu bieten, immerhin die Hoffnung, daß man kleine Scharmützel gegen die großen Verbrecher gewinnen kann. Mehr zu erwarten, wäre schlechtweg dumm. Und hier mehr zu erwarten als gut gemachtes, gut gespieltes Kino von gestern, wäre auch verfehlt. Nur daß das Gebotene immer noch mehr sein kann als viel von dem Schwachsinn, der heute die Leinwand überschwemmt.
 
 
Renate Wagner