Jedermann sein eigener Fußball

Eine Sottise

von Johannes Vesper

Foto © Frank Becker

Jedermann sein eigener Fußball
 
von Johannes Vesper
 
Ob Mehmet und Olli den Dadaismus kennen? Das Dada im Ismus ist natürlich keine Anspielung auf ihre immensen sprachlichen Qualitäten. Wer kann schon stundenlang über die Wade von Jerome sprechen oder über die Adduktorenzerrung von Thomas. Davon hängt ja das deutsche Wohlbefinden aktuell ab. Hätte, hätte…, Dreier- Vierer oder Zweierkette. Da spielen Klima- und Migrantenkatastrophe, oder der IS und seine Aktivitäten keine Rolle mehr. Katastrophal ist, daß die hochbezahlten routinierten Fußballer mit Gehältern, die sonst nur Industriemanager nach dem selbst verschuldeten Ruin ihrer Unternehmen erhalten, das Tor nicht treffen, nicht einmal beim Elfmeterschießen. Jeder von uns könnte, insbesondere für dieses Honorar, daneben schießen. Aber für unsere Jungs ist der Stress, vor Publikum gegen einen liegenden Ball zu treten, einfach zu groß. Mehmet und Olli mit Fußballherzen (und mit übrigens ebenfall schwindelerregenden, in diesem Fall öffentlich rechtlichen Honoraren) haben dafür Verständnis, und die Fußballnation hängt an ihren Fußballmännerlippen. Realsatire? Dagegen echte Satire: Die Zeitschrift „Jedermann sein eigener Fußball“ erschien im Februar 1919 und wurde sofort verboten. Das Gedicht vom „Coitus im Dreimädlerhaus“ (Walter Mehring) war der damaligen Öffentlichkeit ebenso wenig zuzumuten wie die Beiträge von Erwin Piscator und Karl Nierendorf, oder die Grafik von J. Heartfield und George Grosz, erschienen am Vorabend des Spartakus-Aufstandes. Auf dem Titel Fotomotagen der Reichsregierung von John Heartfield (u. a. Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann), die wir Ihnen aus Urheberrechtsgründen ebensowenig zeigen dürfen wie das Fußballmännchen oben links. Aber schauen Sie doch einfach mal selbst. Sie finden das Blatt mannigfach im Internet. Ein Höhepunkt des satirischen Dadaismus. Nur einmal ist diese Zeitschrift erschienen. Der Fußballmann auf der Zeitschrift links oben sieht schon eher so aus wie wir als Publikum heute. Aber der Ball ist rund und läuft: Die Zeiten ändern sich!
 
 
© 2016 Johannes Vesper