Schön wie die Sünde

Sabine Poeschel – „Starke Männer, schöne Frauen“

von Sabine Kaufmann

Umschlag: Christoffer Wilhelm Eckersberg „Morgentoilette“, 1837
 © picture-alliance/akg-images
Schön wie die Sünde
 
Sabine Poeschel:
„Starke Männer, schöne Frauen“
Die Geschichte des Aktes
 
 
Die Nacktheit vor den Augen anderer, ein Tabu zu vielen Zeiten, in vielen Kulturkreisen und deren bürgerlichen oder religiösen Ansichten als Schamlosigkeit, ja Frevel bis ins 21. Jahrhundert angesehen – denken wir an die schamhafte Verhüllung antiker Akt-Statuen beim Besuch von Irans Präsident Rohani im Januar 2016 in Rom, gehört dennoch und seit jeher zu den größten und vielfältigsten Themen der darstellenden Kunst.

Denn die ästhetische Schönheit und der erotische Reiz eines Aktes sind trotz oder gerade wegen der Verbannung der Nacktheit aus dem Alltag von ewiger Faszination für das Auge und die Seele des Betrachters. Immer wieder, von der Frühzeit der Menschheit bis heute, auch in den prüdesten Zeiten sämtlicher Erdteile und Epochen, haben künstlerische Akt-Darstellungen die Prüderie mit der künstlerischen Argumentation unterlaufen; und das sicher auch zum größten Vergnügen – oder sollte man sagen: zur heimlichen Befriedigung - der selbsternannten Sittenwächter. Gefeiert wurde von Bildhauern und Malern stets das jeweils im Zeitgeschmack liegende ästhetische Ideal, sei es die überaus üppige Venus von Willendorf (um 25 000 v.u.Z.), der „David“ Michelangelos (1501), Gustave Courbets „Frau in den Wellen“ (1868) oder Gerhard Richters hinreißender „Akt auf der Treppe“ (1966).

 
  Gabrielle d´Estrees mit einer ihrer Schwestern (1594 Anonym)
 
Aber auch das Erschreckende und Provozierende fand bei der Darstellung seinen Niederschlag, sei es in den gemarterten Leibern mittelalterlicher

Barberinischer Faun, Muenchen,
Glypthothek - Foto MatthiasKabel
Sünder, seien es die Akte Egon Schieles. Gustave Courbets „L´origine du monde“, die explizite Darstellung der weiblichen Scham, sorgte nicht für den einzigen Skandal in der Kunstgeschichte. Das Geschlecht, oft und gerne wie zufällig von einem Schleier, einer Hand, einem Zweiglein oder fließendem Haar verdeckt, scheint in der Plastik der Antike nicht der Zensur zum Opfer gefallen zu sein, wie bei dem Barberinischen Faun (220 v.u.Z.), Michelangelos „David“ und „Der Sieger“  Anders in der späteren Malerei, denken wir an Sandro Botticellis „Die Geburt der Venus“, Albrecht Dürers „Adam und Eva“, Tizians „Venus von Urbino“ oder Rembrandts „Bathseba“. Die künstlerisch umgesetzte Entblößung des Körpers zur Erbauung am Schönen, zur Demonstration der hohen Kunst oder aber aus Lust am Voyeurismus hat viele Facetten, seit der Erfindung der Fotografie auch auf diesem Sektor zahllos produziert. Das erotische Moment, ja die Pikanterie z.B. in Gabrielle d´Estrees mit einer ihrer Schwestern" (1594 Anonym, s.o.)  überwiegt dabei ohne jeden Zweifel, was den Betrachter vor allem antikisierender Szenen nicht selten vor der Frage schmunzeln lassen muß, warum nahezu jede Lebens-Situation vor allem das weibliche Personal in völliger Nacktheit darstellt. Rubens´ „Der Raub der Töchter des Leukippos“ wirkt geradezu unfreiwillig komisch. Denken wir auch an Ingres´ „Das türkische Bad“, Riccis Satyrspiele und durchweg Bouchers Werk. Das, was man im Leben nicht zu sehen bekam, aber sich insgeheim zu sehen wünschte, wurde (s.o.) auf dem Umweg über die Kunst zumindest Abbild der Träume. Die teils abstrahierenden Elemente der Modernen Kunst bei Tamara de Lempicka, Henri Matisse, Pablo Picasso oder den deutschen Expressionisten zeigen dabei nicht weniger ästhetische Momente als Peter Paul Rubens´ ausladende Weiblichkeit, Rembrandts realistische Sicht und Diego Velasquez´, Jacques-Louis Davids, Francisco de Goyas, Jean-Auguste-Dominique Ingres´, Edouard Manets, Gustave Courbets, Christoffer Wilhelm Eckersbergs und Franz von Stucks Darstellung perfekter Schönheit.

 
 Jacques-Louis David,  Patroklos (1780) 

Sabine Poeschel gibt in ihrem Buch „Starke Männer, schöne Frauen“ einen Überblick über die Geschichte des Aktes von der Antike bis zur Gegenwart und stellt herausragende Werke aus Skulptur und Malerei vor. Ihre sorgfältigen, gleichzeitig aber auch leicht lesbaren und verständlichen Aufzeichnungen und Analysen beginnen mit der Erfindung des Aktes in der Antike und schließen mit einem Blick auf die aktuelle Fotokunst am Beispiel von u.a. Robert Mapplethorpe, Man Ray und Bettina Rheims. Der Band präsentiert rund 100 Meisterwerke der Kunstgeschichte in Text und hervorragenden Bildwiedergaben und Fotografien.


Edouard Manet, Olympia (1863)
 
Sabine Poeschel – „Starke Männer, schöne Frauen“
Die Geschichte des Aktes
© 2014 Philipp von Zabern, 160 Seiten, 22 x 29 cm, gebunden mit SU, 100 farbigen Abbildungen, Bibliographie und Register 
ISBN: 9783805347525
39,95 € (Nichtmitglieder), 29,95 € (Mitglieder)


Gustave Courbet, Die Frau in den Wellen (1868)
 
Weitere Informationen: www.wbg-wissenverbindet.de/