Subtile Spannung ohne große Action

„The Shallows“ von Jaume Collet-Serra

von Renate Wagner

The Shallows – Gefahr aus der Tiefe
(USA - 2016)

Regie: Jaume Collet-Serra
Mit: Blake Lively u.a.
 
Es gibt die wahnsinnig großen, lautstarken, den Kinozuschauer geradezu überfallenden Katastrophenfilme. Und es gibt die minimalistischen, wo ein einzelner Mensch mit einer schier unlösbaren Situation konfrontiert wird – und den Kampf aufnimmt. Diese Survival-Thriller bestehen aus der einzigen Frage: Überlebt der Held / die Heldin, oder nicht? Man darf ihnen dabei zusehen.
 
Das ist für die Zuschauer oft spannender als der Wirbel mit einer Unzahl Figuren, weil man eine Bezugsperson hat, mit der man sich auch identifiziert… wobei man letzendlich froh ist, daß man doch nicht selbst in der absolut fürchterlichen Lage steckt, die auf der Leinwand genüßlich-schaurig ausgemalt wird. So wie es Nancy, der Heldin in „The Shallows“ geschieht, ein Titel, der auf Deutsch noch mit „Gefahr aus der Tiefe“ aufgepeppt wurde: Dann denkt man bekanntlich ohnedies automatisch an den Weißen Hai. Und ja, Haie gibt’s.
Blake Lively (der man weder ihre bei den Dreharbeiten 28 Jahre noch das Kind ansieht, das sie von Gatten Ryan Reynolds hat) ist der Inbegriff der jungen, blonden, amerikanischen Schönheit mit Superkörper und liebenswerter Ausstrahlung. Man glaubt ihr außerdem die Medizinstudentin, ebenso Selbständigkeit, Verstand, Souveränität – kurz, man muß sich in diesem Film mit keinem dieser obligat geistlosen, kreischenden Geschöpfe abgeben.
Wenn Nancy an einen wirklich einsamen mexikanischen Stand kommt, um dort ganz allein zu surfen, macht man sich eigentlich keine Sorgen um sie, auch wenn die einheimischen Mexikaner, die sie hierher gebracht haben, verschwinden. Allein sein, genau das will sie – in der Natur, am Lieblingsort der verstorbenen Mutter, ein bißchen in sich gehen.
Das ist die beste Voraussetzung dafür, daß sich stufenweise eine Katastrophe aufbaut. Ein riesiger toter Wal, ein Sturz mit Kopfverletzung, mühevolle Rettung auf einen Felsen, der zwar in Sichtweite des Ufers ist, aber nicht zu erreichen – denn da kreisen nun die Haie…
Der Film ist mit weniger als 90 Minuten nicht sehr lang, hat aber natürlich trotzdem Mühe, eine Katastrophe nach der anderen vor dem tapferen, einsamen Mädchen aufzubauen, die sie daran hindern, das rettende Ufer zu erreichen. Dabei ist Nancy der Gezeiten wegen unter Zeitdruck, sie ist auch verletzt (näht sich selbst eine Wunde auf dem Felsen, igitt), die Familie daheim, mit der sie noch geskypt hat, ahnt nichts, die Mexikaner am Strand schauen nicht zu ihr aufs Meer… interessieren sich höchstens für Geld und Smartphone, die sie vertrauensvoll da liegen gelassen hat.
 
Man kann sich vorstellen, daß man mit Nancy einiges zu bangen hat, und die Aufforderung an den Kinobesucher würde darin bestehen, sich auszudenken, was man in dem gegebenen Fall täte. Nun, so einfallsreich wie Nancy wäre man wohl nicht (dazu sind Drehbuchautoren schließlich da). Daß die Spannung nicht abreißt, dankt man der Überzeugungskraft der Hauptdarstellerin, die glaubhaft nicht aufgibt, ebenso glaubhaft die Situation analysiert und ihre Aktionen setzt sowie dem Regisseur: Jaume Collet-Serra, der bisher vor allem Thriller mit Liam Neeson gedreht hat, zeigt, daß man auch ohne große Action auskommen kann.
Ob Nancy es schafft, darf nicht verraten werden, aber man hat schon Kinostunden abgesessen, die sich weniger gelohnt haben.
 
 
Renate Wagner