Film und Musik: Das Cabinet des Dr. Caligari

von Peter Bilsing


Film und Musik:
Das Cabinet des Dr. Caligari
Live am 28. August 2016 auf der Krefelder Rennbahn
 
Ein hinreißender Abend
 
Selten kann man so überzeugt begeistert über ein Kulturereignis berichten. Als „Film- und Konzertereignis der besonderen Art“ hatte die Pressestelle des Theaters Krefeld-Mönchengladbach die Aufführung des Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1921) auf der Krefelder Rennbahn angekündigt. Um es vorweg zu nehmen: Ich kann dies nur dreimal unterstreichen.
Was war das für ein toller Abend in geradezu begnadet schöner Sommer-Atmosphäre, da am Sonntag (2.Tag) im Gegensatz zur Premiere des Vortages der Himmel klar und es trocken und nicht zu warm war. Da wurde die herrlich gelegene alte Rennbahn zum geradezu idyllischen Platz für ein Kinostelldichein der wirklich besonderen Art. Sehr schade nur, daß gerade einmal die Hälfte der überdachten Zuschauer-Tribüne besetzt war.
Was der Besucher hier für faire 39,- € mit Live-Orchestermusik geboten bekam war einmalig und ist leider unwiederholbar. Ich habe selten so ein stimmiges Gesamtbild von Wetter, Film und Musik erlebt, auch und weil eben die wunderbare neue komponierte Filmmusik (2010) von Stéphane Fromageot die spannenden Bilder kongenial begleitete; in Perfektion von den Krefelder Musikern unter dem großartigen Andreas Fellner realisiert.

 
Das Orchester war unmittelbar neben der Leinwand in einer 10 mal zwölf Meter großen und überdachten Bühne plaziert - und erklang akustisch durchaus konzert-atmosphärisch.
Filmkenner wissen über diesen expressionistischen Stummfilmklassiker, einen Meilenstein der Filmgeschichte von Robert Wiene, Bescheid. Hier wurde er in der akribisch und liebevoll restaurierten Langfassung (in sagenhaften 4 K Bild für Bild digital überarbeitet) präsentiert. Stephane Fromageot ist studierter Kapellmeister und ausgewiesener Fachmann und Musikkenner nicht nur in der Klassik-Szene der 20er Jahre. Nicht nur die hinreißenden Anspielungen an Korngold, Schreker, Ravel, Zemlinsky oder Bartok sind unüberhörbar, auch Bernard Herrmann klingt mit seinen Hitchcock-Filmmusiken durch.
 
Dabei ist die Musik die ideale Spannungsergänzung zum Film - was Filmmusik ohnehin eigentlich immer sein sollte. Man wird regelrecht in die Geschichte hineingezogen und vergißt fast Raum und Zeit. Und das alles ohne den digitalen mehrkanaligen Surround-Sound der heutigen Tage. Der Film wirkt überhaupt nicht mehr stumm, sondern hier ersetzt Musik die Sprache, jedes Wort - man vermißt keinen Text, da auch die Zwischentitel künstlerisch bravourös gestaltet sind.
 
Peter Bilsing 30.8.16
 
 
Eine Übernahme aus „Der Opernfreund“  -  Redaktion: Frank Becker
Bilder: SWK-Open-Air-Kino / Theater Krefeld M. Stutte