Bestsellerfressen

„Und sie lieben mich doch“ von Heino

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Rot-grün is die Haselnuss
 
„Und sie lieben mich doch“
von Heino
 
Im Gegensatz zu den meisten anderen, liebe Leser, hat der gute Mann das Teil hier übrigens ganz allein geschrieben. Da hat ihm kein Schwein bei geholfen! Aber das merken se gleich selber.
„Hin und wieder“, so schreibt Herr Heino, „zisch ich mir schon mal ein Bierchen.“ In seiner Autobiographie alleine 27 mal. Oder er macht „in rheinischer Runde mit ein paar juten Freunden verjnügt ein Prösterschen.“ Aber nur ein einziges Mal – und den Ausdruck kannt‘ ich bis dahin noch gar nicht – sagt er: „Da war alles Bier.“
Nein, Heino ist nicht der große, blonde Trinker, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heino ist „der große blonde Sänger mit dem wunderbaren Bariton.“

Und Heino erzählt:
„Man fragt mich immer wieder: ‚Herr Heino, sind Ihre Haare wirklich so blond?‘ Dann sage ich: ‚Ja. Ich bin naturblond, habe nur wenige Haare.‘ Und dann fragt man mich: ‚Tragen Sie eine Perücke?‘ Dann sage ich immer: ‚Nein! Denn ich trage keine Perücke – ich trage ein Haarteil’.“
Ähm, es ist schon eine komische Geschichte, wie der Heino zu diesem Haarteil gekommen ist. Möchten Sie sie hören? Ja, gut, hab ich mir gedacht. Also:
„Es ist eine komische Geschichte, wie ich zu diesem Haarteil gekommen bin. Es war 1965 oder 1966, ganz am Anfang meiner Laufbahn. Mein Freund Dieter Wolf, mit dem ich ein Trio gegründet hatte, ... ähm, hatte sich ein Haarteil machen lassen. Es sah toll aus, und ich wollte so etwas auch haben. Also hat Dieter mich zu seinem Friseur geschleppt, und der hat mir ein kleines Haarteil anfertigen lassen. Ich fand mich unheimlich chic mit diesem Aufsatz. Ich behielt das Haarteil immer auf, kämmte wenig, bürstete gar nicht - es war ja so bequem.
Eines Tages sah ich ohne Haarteil in den Spiegel – und war entsetzt. Da hatte sich eine richtige Platte gebildet. Nun brauchte ich das Haarteil wirklich!
Inzwischen verfüge ich über mehrere Haarteile, das ist hygienischer.“
Ja. Muß man ja auch nicht so oft bürsten oder kämmen! Is ja klar. „Bis vor 2 Jahren hatten sie einen ziemlich konservativen, unmodernen Schnitt. Bis mich mein Friseur Bernd Klever aus Düsseldorf ansprach: ‚Hör mal, Heino, mach das Ding doch wenigstens ein bißchen kürzer. Das sieht moderner aus.‘ Ich hatte Bedenken. Ich wollte ja gar nicht modern aussehen. Aber ich ließ mir von Bernd Clüver äh Klever dann doch eine Igelfrisur verpassen. Junge Leute in einer Fernseh-Sendung fanden das super und sagten: ‚Heino, du siehst viel jünger und poppiger aus!‘ Seitdem fühle ich mich viel wohler. Das kurze Haar läßt sich auch besser pflegen.“ Muß man ja auch nicht so oft kämmen und bürsten! Egal: „Und mich beruhigt der Gedanke: Ich bin ja nicht der einzige in der Showbranche, der ein Haarteil trägt. Andere haben auch noch ein Gebiß.“

Meine Damen und Herren!
Sie sehen schon: Heino ist keiner, der sich schont! Genauso wenig wie das deutsche Volk. Und so bekam dies deutsche Volk dann im Laufe der Jahre genau das, was es verdient hatte: „Die schwarze Barbara“ und „Mohikana Shalali“, „Halli hallo, wie fahren“, „Ich hab Ehr­furcht vor schneeweißen Haaren“ und „Sing mit Heino“, Folge 1 bis 100 000.
Und nicht zu vergessen:
„Heino – Die schönsten Seemannslieder“,
„Heino – Die schönsten Wanderlieder“,
und „Heino – Die schönsten Weihnachtslieder“.
„Heino – Die schönsten Fahrtenlieder“,
„Heino – Die schönsten Heimatlieder“

und „Heino – Die schönsten Jagd- und Heidelieder“.
Insgesamt über – höre, staune, gute Laune - 160 Langspielplatten.
Und „La paloma ohe, einmal wird es vorbei sein.“
Aber das war … wie wir schmerzlich erfahren mußten … dann doch Zukunftsmusik.

Liebe Freunde der deutschen Dödelmusik!
In seiner Lebensbeichte „Sie lieben mich doch!“ informiert Herr Heino die Menschheit jedoch nicht nur über seine gesammelten Haarteile und diese schöne Musik, sondern auch über sein sagenhaftes Faible für vielseitige „Kreuzfahrten“ – quer durch die multikulturellsten Weltgeschichten. Die unglaublichen Vorzüge solcher Dampferrunden preist er z.B. mit den folgenden knappen Worten an:
„So ein Schiff ist ein schwimmendes Hotel, in dem der, der das will, unglaublich viel erleben kann. Man kann unglaublich viele Kurse belegen: Seiden-Malerei, Pastell-Malerei, Porzel­lan-Malerei, naive Malerei und Aquarell-Malerei.“ Ähm …wenn Sie jetzt glauben: Das war et! Äh näh, geht noch weiter: „Linolschnitte, Blumenstecken, Bridge-Unterricht, gesell­schaftliche Etikette, Emaillier-Arbeiten, Farb- und Stilbera­tung, Jazzdance, Kochkunst, Meteorologie, Modeschmuck­-Herstellung, Sticken, Töpfern, Video, Computer-Bedienung und Tischkultur, Wassergymnastik und Rhetorik, Zuckerbäckerei und Zaubern und Marzipan-Gestaltung.“

Ja, die Lektüre war teilweise nicht so einfach! Aber was mir richtig zu schaffen machte, war was ganz Anderes. Zum Beispiel so was hier:
„Es ärgert mich maßlos, wenn das Aufkommen eines ekel­haften Neo-Faschismus heute mit mir in Verbindung gebracht wird. Wer den industriellen Massenmord von Auschwitz leugnet, der verstößt gegen bestehendes Recht.“
Als ich das las, dachte ich: „Mein lieber Heino!“ Aber Heino war nicht mehr zu stoppen:
„Es kann doch nicht sein, daß ich mit brauner Farbe abge­stempelt werde, nur weil ich schöne deutsche Lieder singe.“
Hm. Na ja.
„Dabei waren diese Lieder einmal ein Ventil gegen den autoritären Staat. Sie waren Ausdruck einer Sehnsucht, aus dem System von Kaiser, Militär und Kadavergehorsam her­auszukommen.“
Gut, „Caramba, Caracho, ein Wiskey!“ steht jetzt nicht unbedingt in dieser Tradition. Aber wo der Heino Recht hat, meine Damen und Herren, da hat der Heino Recht! Und es verstößt ja auch nicht gegen die guten Sitten, wenn er schreibt:
„Im Grunde meines Kinderherzens war ich Kommunist... Ich habe immer SPD gewählt!“
Und dann schreibt er noch:
„Im Grunde meines Herzens tendiere ich zu den Grünen.“
Scheiße! Kaum hat man ihn gelobt, macht er auch schon alles wieder kaputt.
„Ich habe ja auch schon einmal ein Protestlied gegen das Abschlachten von Robben gesungen.“
Ja, is ja jut.
Und dann kommt’s:
„Um ein Haar wäre ich sogar bei den Grünen gelandet. Kurz nach ihrer Gründung kamen ein paar Grüne in mein Haus und wollten mich für ihre Partei gewinnen. Ich war leider nicht da ...“

Meine Damen und Herren, man muß die SPD nicht mögen. Und die Grünen erst recht nicht. Aber nach der Lektüre verspürte ich plötzlich eine gewisse Lust, mit Herrn Heino doch mal das ein oder andere Bierchen zu zischen.

Jul. 2002