Die Parkbank am Abend

Konrad Beikircher mit Variationen

von Anton Kuh

Anton Kuh - Emil Orlik pinx.
Ach ja, der Mai...

Im Mai, liebe Freunde des heiteren Vergnügens, kochen die Hormone und wer noch nicht gebunden ist, schaut, daß er es bald wird. An diesen grundlegenden Geschichten ändert sich nix, Internet hin oder her, face-book „Gefällt mir“ auf oder ab. Früher, also zu meiner Zeit, in den Fünfziger Jahren, oder sagen wir, noch schöner: früher, als alles noch aus Holz war, hat sich das oft im Park auf der Parkbank abgespielt. Da saß man mit seiner Schönen – ich an der Talferpromenade in Bozen, wenn der Oleander blühte, die Mädchen nicht mehr gar so viel anhatten und sich deshalb gegen anatomische Studien nicht mehr wirklich effektiv wehren konnten – auf der Parkbank und es war wunderbar. Daß es da aber regionale Unterschiede gibt, war uns nicht wirklich bewußt. Anton Kuh, der großartige Caféhaus-Literat aus dem Wien der Zwanziger Jahre, hat das – und da sind wir bei dem kleinen Stückchen feiner Kleinliteratur, die ich Ihnen in diesem Jahr in jeder Sendung versprochen habe – in einer köstlichen Geschichte nachgezeichnet:

Die Parkbank am Abend
 
Wien
 
Praterbank. Kastanienduft. Sumpfnähe. Windverwehte Klänge von Orchestrions. Die zwei auf der Bank zwitschern in einer Sprache, deren Worte auf „itscherl“, „zuckerl“ und „itschi-atschi“ enden. Taktvoll wendet sich der Passant. Er könnte beim Dabeigewesensein betreten werden. Das Flagranti könnte ihn auf frischer Zeugenschaft ertappen. Er will weder Wand noch Laterne, noch Löwe sein und setzt, ohne sich umzuwenden, seinen Weg fort.
 
Prag
 
Der Stadtpark riecht nach Bahnhofnähe. Die Landessprache der Liebe ist tschechisch. Ein Mann drängt und flüstert. Ein weiblicher Bierbaß überschreit den Lokomotivenpfiff mit der herzvollen Frage:
„Ale protsch ne?“
(Das französische „Pourquoi pas?“ gibt bei weitem nicht den Sinn wieder). Die Amsel freut sich, der Baumspecht klopft und der Spaziergänger denkt: „Oh kinderreiches Volk!“
 
München
 
Am Englischen Garten sitzt man, wie es Th. Th. Heines innig umschlungene Brautleute tun, die Hand auf dem Undsoweiter.
Auch wenn sie tatsächlich Kathi oder Resi heißt, können ihre Beine schlank sein. Der Dialog ist nicht neu:
„Du - jo?“
„Naa!“
„Naa?“
„Aber jo!“
Das Münchner Kindl siehts und ruft schnalzend:
„Mir aa!“
 
Berlin
 
Tiergarten. Die Amsel ist zum Walddienst abberufen. Der Asphalt duftet nach Rasengrün. Das Paar auf der Bank küßt sich wie in Wien, Prag und München. Plötzlich prallt es auseinander.
Hinter der Bank steht ein Mann und mach „Ksch! Ksch!“
 
 
Ich wünsche Ihnen einen parkbankreichen, milden Mai!

In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher


Redaktion: Frank Becker