Am Ende ist es doch Theater

Buddenbrooks. Nach dem Roman von Thomas Mann

von Martin Hagemeyer

Thomas Braus, Philppine Pachl - Foto © Klaus Lefebvre

Am Ende ist es doch Theater
 
Buddenbrooks. Nach dem Roman von Thomas Mann
Bühnenfassung: John von Düffel.
 
Wuppertals Schauspiel lädt für die „Buddenbrooks“ in prägende Räume
 
Regie: Stephan Müller – Ausstattung: Siegfried E. MayerVideocam/Filmproduktion: Carmen Fett – Videoproduktion: Thomas Dickmeis – Dramaturgie: Susanne Abbrederis – Regieassistenz: Alexander Bangen – Inspizienz: Charlotte Bischoff – Korrepetition: Stefan Leibold - Fotos: Klaus Lefebvre
Besetzung: Konsul / Der Leutnant: Stefan Walz – Konsulin: Anuk Ens – Thomas: Thomas Braus – Christian / Morten Schwarzkopf: Alexander Peiler – Tony: Philippine Pachl – Anna / Gerda, Thomas’ Frau: Julia Reznik – Hanno: Aaron Röll – Grünlich: Lukas Mundas – Kesselmeyer, Bankier / Permaneder: Miko Greza – Butler Etienne / Herr Marcus: Gernot Schneider
 
Ein wenig will man selber schreiten. Zur Aufführung der „Buddenbrooks“ setzt der Zuschauer in Wuppertal den Fuß auf kostbares Parkett, denn das Schauspiel gibt sie im Haus der „Bürgergesellschaft Concordia“ am Werth, einem Ort also, der vielleicht passend ist oder authentisch, ganz unübersehbar aber eines: edel.
Thomas Manns Fall einer Kaufmannsfamilie, dramatisiert von John von Düffel, er wird hier gespielt an einem Ort, der ihn verankern soll: Im Milieu realer Barmer Handelskreise, die sich bis heute hier treffen, und ein wenig auch in einer anderen Zeit. Gewinnen dafür ließ sich Stephan Müller, der am Stadttheater schon „Die Wupper“ inszeniert hat und schon da viel Aufwand betrieb: Teilnehmer erinnern sich etwa an die stimmungsvolle Jahrmarktszene im abendlichen Zoo, vielleicht aber noch mehr an die Bustour dorthin. Die Frage nach Aufwand und Ertrag liegt auch in der „Concordia“ auf der Hand, auch wenn man dort scheinbar an einer Adresse bleibt; denn Müller ist es ernst mit Orten.
Um den geschichtssatten Rahmen möglichst stark zu nutzen, läßt die Produktion sich einiges einfallen: Zwar findet der Großteil klassisch auf Spielfläche vor Sitzreihen statt; aber ein Raucherzimmer zum Beispiel gibt es real im Haus, für Paffer Thomas wie gemacht. Für die gebührende Eigenwirkung werden insgesamt sechs Räume daher zum Einstieg Schauplatz kleiner Solo-Porträts. Letztlich auch hier: Theater auf Tour.
Das gerät kürzer als gedacht, ist dafür aber arg turbulent. Denn zwar wird zum Flanieren mit Raumplan ermuntert, aber die Szenen sind so kurz, daß das Kommen und Gehen droht, sie zu überdecken. Leider nicht ganz praxistauglich schien (zumindest zur Vorpremiere) daher dieser Versuch, der „Aura“ der Räume (Müller) zu ihrem Recht zu verhelfen.
So viel zum Ort? Es drängt sich auf.
 

v.l.: Gernot Schneider, Stefan Walz, Thomas Braus, Anuk Ens, Philippine Pachl - Foto © Klaus Lefebvre 

Doch einmal Platz im Saal genommen und erfreut begrüßt von Concordia-Chef Oliver Alberts (auch er ist ganz offenkundig der Meinung, daß das Stück erst jetzt beginnt): Dann bleibt genug Gelegenheit für Stück wie Stimmung. Bei Thomas Braus mag es diesmal etwas dauern, seinen Ansatz von „Tom“ Buddenbrook zu verstehen (vielleicht aber nur weil man ihn schon oft hat spielen sehen). Philippine Pachl gibt eine energische Tony und erinnert eindrücklich, daß diese trotz gleich zweier unglücklicher Ehen ja keine nur leidende Effi Briest ist, sondern weiß, was sie sich wert ist. Maßvoll schmunzeln läßt Alexander Peilers Christian – ganz überspannter Bohème, aber nicht zu überzeichnet: „Ich denke darüber nach, daß ich nicht schlucken kann, und dann kann ich es wirklich nicht.“
Die Handlung setzt in der Fassung ein bei Konsul „Jean“ Buddenbrook, von Stefan Walz gespielt als gefestigter Charakter bis hin zum stark inszenierten Abgang. Vom zuversichtlichen Beginn spitzt sie sich zu über die breite Darstellung des verschuldeten Schwiegersohns Grünlich (Lukas Mundas) und steigert auch die Dramatik der äußeren Handlung. Und bei beidem wirkt der Raum denn doch unterstützend. Beim hämischen Gläubiger Kesselmeyer (Miko Greza) liegt in der Luft: Auch in noch so kultiviertem Rahmen wie einer Handels- oder Bürgergesellschaft lauern Krisen und Bosheiten. Und spätestens wenn dann Christian „alle Kaufleute Gauner“ nennt, kommt es auch in der Familie zum Knall – auch wörtlich, weil der Flügel ganz unedel zugeschlagen wird.
Dezent gerät schließlich ein weiterer Kniff zur Raum-Beteiligung: Live-Filmszenen aus dem laufenden Geschehen – nicht als Kino-Element, sondern als weitere Kurz-Spielstätten, die aber diesmal erlauben sitzenzubleiben. Viel Einsatz heißt es für Carmen Fett an der Handkamera, die das Spiel einfängt und überträgt, sobald es den Saal verläßt. Unterm Strich fügt sich das ein als Illustration und damit als mediale Ergänzung, die zum Glück theatral bleibt.
Hier einmal nichts zur alten Grundsatzfrage, wie nötig Romandramatisierungen sind. Dramatischer Gehalt ist ja jedenfalls genug da bei Mann, die Schauspieler geben ihm Leben, und der Ort? Bleibt letztlich „starkes Zeichen“, ein Begleiter des Stücks – wenn auch ein ziemlich präsenter. Am Ende ist es doch Theater, und das ist gut so.
 

Philippine Pachl, Miko Greza - Foto © Klaus Lefebvre

Die bereits angesetzten Termine sind ausreserviert. Zusätzliche Vorstellungstermine wurden jetzt für Februar 2017 angesetzt; der Vorverkauf dafür startet heute, Montag, 26. September. Informationen unter www.wuppertaler-buehnen.de  und  kontakt@kulturkarte-wuppertal.de