Mozart-Schubert-Schnittke

Das Schumann-Quartett eröffnet die Wuppertaler Kammermusiksaison „Saitenspiel“

von Johannes Vesper

Das Schumann-Quartett - Foto © Johannes Vesper

Mozart-Schubert-Schnittke

Das Schumann-Quartett eröffnet die Kammermusiksaison „Saitenspiel“
 
Seit 2010 finden in der historischen Stadthalle Wuppertal nach vorangegangenen Jahren kammermusikalischer Verödung „Saitenspiele“ statt. Die exquisite kammermusikalische Reihe wird seitdem von Detlef Muthmann gestiftet und organisiert. Die Saison 2016/17 wurde am 25.09.16 mit zwei letzten Werken eröffnet: Flankierend Mozarts 3. Preußisches Quartett F-Dur (KV 590) und Schuberts G-Dur Quartett D 887 und in der Mitte Schnittkes Streichquartett Nr. 3. Es spielte – zum ersten Mal in Wuppertal - das Schumann-Quartett, welches 2007 in Köln nach dem Studium dort beim Alban-Berg-Quartett zusammenfand. Das Ensemble spielte und spielt seitdem im Concertgebow Amsterdam, in der Wigmore Hall London und als Artist in Residence im Robert-Schumann Saal in Düsseldorf, ist u.a. auf dem Schleswig-Holstein-Festival und beim Menuhin Festival in Gstaad zu hören und trat jetzt eine dreijährige Residenz bei der Chamber Music Society des Lincoln Centers in New York an. Für ihre letzte CD (Mozart, Ives, Verdi) erhielten sie jüngst den BBC Music Magazin Award in London. Die drei Brüder Erik (1. Violine), Ken (2. Violine), und Mark (Violoncello) Schumann spielen seit ihrer Jugend zusammen. Die Bratschistin Lisa Randalu, geboren in Tallin, aufgewachsen in Karlsruhe, kam 2012 mit ihrer Bratsche dazu.
 
Zu Beginn des Abends im Mendelssohn-Saal gab es Mozarts letztes Streichquartett, das dritte aus Serie der drei Preußischen Quartette. 1789 begann Mozart mit der Komposition derselben, fertig wurde er damit erst im Sommer 1790. Er arbeitete in dieser Zeit unter finanziellem, wohl auch emotionalem Druck und tat sich schwer mit diesen Kompositionen. 1789 nahm die hübsche 23 Jahre alte Magdalena Hofdemel Klavierunterricht bei Mozart, während seine Konstanze mit Süßmeyer zur Kur weilte. Die Affären dieser vier miteinander haben Mozarts Arbeit an „Cosi fan tutte“ zwar beflügelt (Uraufführung 26.01.1790) seine Arbeitsmoral aber weniger: 1789 ist das einzige Jahr, in welchem Mozart nichts publiziert hat. Als erster freier Musiker und Komponist ohne „anständige“ berufliche Anstellung war er aber angewiesen auf Honorare und Geschenke von Mäzenen und hatte auf finanzielle Unterstützung gehofft, wenn er diese Quartette dem engagierten Cellisten König Friedrich Wilhelm II von Preußen hätte widmen können. In den ersten beiden Preußischen Quartetten wird das Cello tatsächlich königlich behandelt und deutlich bevorzugt, während im letzten Quartett KV 590 die Instrumente weitgehend gleichberechtigt locker virtuos miteinander konzertieren. Das konzertante Cello darf hier noch einigermaßen solistisch das 2. Thema im 1. Satz singen und mit den herrlich bewegten Sechzehnteln des langsamen Satzes den Zuhörer packen. Aber Mozart wurde bei seiner Reise nach Potsdam im April 1789 nicht vom König, sondern nur von dessen Cellolehrer, dem Cellovirtuosen Duport, empfangen. Die preußischen Quartette wurden in Wien komponiert, gedruckt und aufgeführt. Als er die Quartette endlich Mitte 1790 fertig gestellt hatte, war die Widmung nicht mehr aktuell. Friedrich Wilhelm hat wahrscheinlich gar nicht registriert, welche Ehre ihm hätte widerfahren können. Im Scherzo und auch im geschwinden letzten Satz geht es flink und munter über alle 16 Saiten der Musikanten. Die klassische Ordnung gerät hier ins Wanken. Hochkonzentriert konzertierten die jungen Musiker, reagierten sensibel auf jeden musikalischen Funken und begeisterten mit diesem brillanten Feuerwerk Mozartscher Musik.


Das Schumann-Quartett - Foto © Johannes Vesper
 
Anschließend Alfred Schnittkes 3. Streichquartett. Der Komponist, Wolga-Deutscher mit väterlichen Wurzeln in Frankfurt/Main, ist in Wuppertal bekannt. Erinnert sei an die Deutsche Erstaufführung seiner Oper „Das Leben mit einem Idioten“ im Barmer Opernhaus 1993 (bald nach der Uraufführung in Amsterdam) in Anwesenheit des nach mehrfachen Herzinfarkten und Schlaganfällen schon schwer erkrankten Komponisten. 1934 in Engels (eine weitere Verbindung zu Wuppertal!) geboren und gestorben 1998, studierte er Musik in Wien und erhielt 1989 einen Lehrstuhl für Komposition in Hamburg. In seinen Kompositionen benutzt er polystilistisch frei vorhandenes Material aus der Musik seiner und vergangener Zeiten. Eklektizismus hat man ihm vorgeworfen. Dieses Streichquartett schlug aber mit Zitaten von Orlando di Lasso über Beethoven bis hin zu Schostakowitsch, mit seiner Dramatik, seinen Glissandi, seinem Tremolo im Flageolett, herben Pizzicati die Zuhörer in den Bann. Manches Bogenhaar fiel dem Temperament der Musiker zum Opfer. 
Nach der Pause war Schuberts letztes Streichquartett zu hören, welches er vom 20.-30. Juni 1826 unter dem Eindruck der Uraufführung von Beethovens op. 130 mit großer Fuge kurz zuvor durch das Schuppanzigh-Quartett geschrieben hatte. Das miserable Wetter in den Wochen zuvor des Frühjahrs 1826 hatte Schuberts Hang zu Melancholie verstärkt, und am 10. Juli 1826 schrieb er: „Ich habe gar kein Geld, und es geht mir überhaupt sehr schlecht. Ich mache mir aber nichts draus und bin lustig“. Na ja! In seinem letzten Quartett überläßt er sich seinen wie auch immer bedingten Stimmungsschwankungen zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, wechselt ständig von Dur nach Moll und zurück in Tremolo und Pizzicati, nicht nur im 1. Satz. Heitere Ländlerstimmung wird, kaum hat sie sich entwickelt, mit sinfonischer Wucht zerstört. Gleich nach Akkordschlägen zu Beginn flehen und beten Geige und Cello in großem Seelenschmerz. Wie bei Mozart ist auch bei Schuberts letztem Streichquartett die musikalische Spontaneität und Unbefangenheit der Jugend nicht mehr zu spüren. Das ernste und sehr herbe letzte Quartett zeigt eine andere Seite und einen anderen Charakter als die beiden vorangegangenen, berühmten Streichquartette „Der Tod und das Mädchen“ und „Rosamunde“. Die traurige Cellokantilene im Andante des 2. Satz nimmt schicksalhaft ihren Lauf, wird von der Geige übernommen, unterbrochen durch harte Tutti-Schläge. Auch hier wechselt das Thema zwischen Moll und einem empfindsamen Dur am Ende, welches kaum tröstet. Der 3. Satz huscht als schnelles Geisterscherzo mit schnellen, repetierten Sechzehnteln traumhaft vorüber, mit einem merkwürdig fremdem, „gläsenen“ Schubertschem Klang im Ländler-Trio. Im letzten Satz türmt sich sinfonische Größe auf mit hektischen Dissonanzen zwischen unfrohem Dur und melancholischem Moll, mit Staccato-Triolen und Vorschlägen. Das C-Dur des Schlusses kann das emotionale Chaos und den zerrissenen Charakter des Werkes nicht heilen, welches vielleicht seinen Tagebucheintrag widerspiegelt: „Meines Lebens Martergang nahend ew’gem Untergang“. Die Uraufführung des 1. Satzes erfolgte in seinem Todesjahr 1828, des vollständigen Werkes erst 1850. Und auch mehr als 20 Jahre nach Schuberts Tod kamen das damalige Publikum und die Kritiker mit diesem Werk nicht zurecht.
Aber heute im Mendelssohnsaal war das Publikum begeistert von der glänzenden Aufführung dieses schwierigen und selten gespielten Spätwerks. Für den langen Applaus und die Bravo-Rufe bedankten sich die jungen Musiker mit einem entzückenden Satz aus dem Vogel-Quartett op. 33.3 von Josef Haydn. Ein großer Kammermusikabend


Das Schumann-Quartett - Foto © Johannes Vesper
 
Saitenspiel in der historischen Stadthalle Wuppertal: Am 07., 08. und 9. Okt 2016 finden die ersten 3 Konzerte mit sämtlichen Streichquartetten Beethovens in insgesamt 6 Konzerten statt. Das Uriel-Quartett (Kjell-Arne Jörgensen, Ulrike-Anima Mathé, Xena Jankovic und dem Wuppertaler Werner Dickel) wird diesen Gipfel der Kammermusik erwandern und erstürmen. In jedem Konzert wird wie bei dem berühmten Slee-Beethoven-Zyklus in Buffalo/USA (sämtliche Streichquartette Beethovens einmal jährlich seit 1954 mit den berühmtesten Streichquartetten der Welt) jeweils ein frühes, ein mittleres und ein spätes der 16 Streichquartette zu hören sein.
Und: Sonntag, 27.11.16, 18:00 Uhr: Schubert: Arpeggione-Sonate für Cello und Klavier, Schubert Streichquartett Es-Dur D 87, Robert Schumann: Klavierquintett Es-Dur. (Goldmund Quartett, Christopher Clark, Klavier)