Oh jeh, oh jeh - wie stört mich das...

Ein Kontrapunkt

von Peter Bilsing

Oh jeh, oh jeh - wie stört mich das...
 
Warum inszenieren Regisseure überhaupt Opern, die sie eigentlich doof finden?
Eine persönliche Frage angesichts des Saisonbeginns, wo ich mich direkt gleich zwei höchst ärgerlichen Opernabenden ausgesetzt sah, deren Gestalter die Opern, welche sie für viel Geld inszenieren dürfen, eigentlich erklärtermaßen doof finden (oder die zumindest so wirkend lassen, als wenn ihre „Regisseure“ sie tief im Inneren hassen und nur verunglimpfen möchten bzw. positive Bilder des Standardpublikums bewußt zerstören wollen).
 
Einige weitere Fragen:
- Darf Oper nicht mehr schön sein?
- Darf man Opern in angenehmen Bühnenbildern nicht mehr genießen?
- Hört noch jemand vom Regie-Team die Sprache der Musik und der Noten?
- Ist das Libretto zu schäbig, zu unvollkommen, sodaß es nicht mehr gilt?
- Warum muß das Vorspiel bebildert werden.
 
War es noch vor einem Vierteljahrhundert der omnipräsente Fernseher auf der Bühne (z.B. John Dew), kamen später die Lammellevorhänge oder Wandbeschriftungen (z.B. Günter Krämer) - in dieser Zeit kam es auch in Mode, daß ganze Regimenter von Choristen über die Zuschauereingänge hereinstürmten, sich durch die Reihen quetschten oder Protagonisten aus dem Zuschauerraum sangen bzw. einzelner Besucher in ihre Action mit einbezogen (oft war das allerdings auch abgesprochen).
Heute gibt es ein Requisit, welches als Paradebeispiel für Mumpitz zu nennen wäre: Den Wohnwagen. Je schäbiger, desto besser! Ob da nun Rusalka haust oder Mime oder ob man ihn als bessere Pommesbude und Kapitalismus-Symbol (??) mißbraucht wie in der Bonner „La Boheme“; irgendwie sind Wohnwagen wieder „in“ auf der Opernbühne. Wohnwagen sind hip; sind geradezu unvermeidlich.
Weitere Standard-Ingredienzien, die ich besonders oft bei Schauspielregisseuren beobachte, wären: Müllplätze, Toilettenräume, düstere Hinterhöfe, Irrenanstalten, Bordelle, Krankenbetten, Rollstühle, Bierflaschen, sinnlose Bumserei, Bierflaschen, Sauforgien oder die rudimentär bis auf die Brandmauern leer geräumte Bühne. Hab ich etwas vergessen?
Ach ja - Schauspielregisseure zeigen dem Publikum auch oft gerne, daß die Bühne eben kein Zauberkasten der Illusionen ist. Bühne ist Realität pur! Da schieben dann Komparsen einen billigen Drachen auf Rädern und Stangen herein, arbeiten Bühnenwerker nicht im Dunkeln, sondern marschieren, montieren und agieren offen auf der Bühne, treten Nichthandelnde nicht ab, sondern müssen sich in Ecken stellen, oder wir sehen, wie man rote Taschenlampen und einen Rauchtopf in die Mülltonne stellt, die später (wieder Bonner Boheme) als notdürftige Heizung mittels Verbrennung von Bücherseiten dient.
 
Neuer Trend: die frei hinzu erfundene - im Libretto gar nicht vorhandene - zusätzliche Personnage, die permanent auf der Bühne (meist störend) herumhampelt. Mit-dirigierende Komponisten, sich erinnernde Greise oder gar Puppen. Ich wette, jeder von meinen geneigten Lesern und Opernfreunden könnte gleich eine handvoll Produktionen nennen oder mein Sammelsurium ergänzen...
Bei all dem hat das Publikum eigentlich die doppelte A....-Karte (wie man heute sagt) gezogen, denn erstens bezahlen sie den ganzen Krempel und zweitens müssen sie sich den Mist auch noch anschauen.
Leiden ist angesagt! Doch jeder leidet anders...
Nicht alle leiden gleich.
Der humorlose bärbeißige Kritiker PB leidet zum Beispiel ganz außerordentlich, wenn man Offenbachs feinsinnige Operetten als dümmlichen RTL-Klamauk inszeniert oder die Strauss´sche „Fledermaus“ als moderne Dick-und-Doof-Klamotte noch dazu mit frei erfunden neuen Blödmannstexten präsentiert und damit ruiniert. Noch ärger ist es, wenn man auf harten Bürostühlen (Wuppertal) mitten auf der Bühne sitzen muß, weil der Zuschauerraum aus dramaturgischen Gründen z.B. leer bleiben soll. Nun denn.
 
Das mußte jetzt mal raus...
Einen weiteren fröhlichen Saisonanfang 2016/17 wünscht

Ihr
Peter Bilsing