Zeitschleifen mit mäßigem Grusel

„Die Insel der besonderen Kinder“ von Tim Burton

von Renate Wagner

Die Insel der besonderen Kinder
(Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children)
(USA - 2015)

Regie: Tim Burton
Mit: Asa Butterfield, Eva Green, Terence Stamp, Samuel L. Jackson, Ella Purnell, Judi Dench, Helena Bonham-Carter u.a.
 
Fantasy ist wahrlich nicht den („jung“ gebliebenen) Erwachsenen vorbehalten. Harry Potter & Co. beweisen, wie gut man Kinder-Fantasy verkaufen kann – und die Einspielergebnisse von „Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children“ beim Startwochenende in den USA bestätigen das desgleichen. Vielleicht, weil es ein Kindertraum ist, fliegen zu können? Oder einfach mit der Hand Feuer entzünden? Oder daß man ein großes Maul im Nacken hat, das alles fressen kann (Grusel, Grusel). Oder daß einem Bienen aus dem Mund schwirren (noch gruseliger)? Miss Peregrines Kinder also sind kleine X-Men, und das gefällt.
 
Der amerikanische Autor Ransom Riggs hat 2011 mit dem Roman, der dem Film zugrunde liegt, eine ganz seltsame Mischung aus Realität und Phantasie geschaffen, in der auch die „Zeitschleife“ eine große Rolle spielt (im Kino nicht neu, man erinnert sich, wie Bill Murray 1993 in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ein- und denselben Tag immer wieder erleben mußte), aber auch ganz aktuelle historische Ereignisse hineingemixt werden (Zweiter Weltkrieg, deutsche Luftangriffe auf England). Ja, und Monster mit riesigen Säbelzähnen, auf denen sie wandern und Leute killen, gibt es auch. Eine krude Mischung.
Roter Faden der Handlung ist jener Jacob Portman, der sehr an seinem Großvater hängt, der ihn seit Kindertagen mit phantastischen Geschichten füttert, die er angeblich selbst erlebt hat. Als der geliebte Großvater unter schaurigen Umständen stirbt, hinterläßt er Jacob ein Vermächtnis – und eine Psychiaterin schickt ihn, um die Alpträume zu bewältigen, auf jene Insel in Wales, wo es angeblich einst ein Kinderheim von Miss Peregrine gab, das mit Opa in Verbindung stand. (Lösung des Rätsels: Auch dieser war ein „besonderes“ Kind, und Jacob ist es auch, sonst könnte er nicht in die „Zeitschleife“ hinein…)
Zeitschleifen sind auch dazu da, die Vergangenheit zu ändern (Zurück in die Zukunft!) – in Jacobs Fall bedeutet das, sich in das Kinderheim im Jahre 1943 zu begeben, wo Miss Peregrine täglich die Zeit um einen Tag zurückdreht, damit die deutschen Bomber das Haus nicht vernichten können. Keine Frage, daß die schräge Rettungsaktion gelingt.
Keine Frage auch, daß eine Geschichte so komisch wie diese ideal für Regisseur Tim Burton erscheint, keine Frage leider ebenso, daß der 58jährige schon seit einiger Zeit nicht mehr als „ganz der Alte“ erscheint (sonst hätte er die Hauptrolle auch natürlich mit Ex-Freundin und Mutter seiner beiden Kinder, der hinreißenden Helena Bonham-Carter besetzt). Jene Exzentrik, die man an seinen früheren Filmen tadeln mochte, aber doch so innig liebte, ist hier einer vergleichsweise relativ braven Erzählweise gewichen, und Eva Green als süffisante Alma LeFay Peregrine nimmt man auch nur als gelungen hin, wenn man nicht an bessere Besetzungsmöglichkeiten denkt…
 
Dafür ist der erst 19jährige Brite Asa Butterfield (2011 war er Martin Scorseses „Hugo Cabret“!) eine Idealbesetzung für den ernsthaften Jungen, der sich auf die Spuren des Großvaters (Terence Stamp) setzt, per Zeitschleife in das Kinderheim anno dazumal kommt (das den Zeitgenossen von heute als Bombenruine erscheint) und dort natürlich auch sein Lebensglück findet (blond und mit der Fähigkeit zu fliegen: Ella Purnell). Sind halt schon reifere Teenager, wo auch die Gefühle für das andere Geschlecht ihren Platz haben.
Als Bösewicht muß Samuel L. Jackson, gelegentlich mit gesträubtem Weißhaar und jenem „dämonischen“ Lachen, das dazu gehört, die Guten bekämpfen, zu denen auch Judi Dench gehört (allerdings in einer komplett uninteressanten Nebenrolle! Warum macht sie so was?).
Am Ende ist statt einer schrillen Tim-Burton-Show ein höchst verträglicher, mäßig interessanter Kinderfilm geworden (für seine Verhältnisse geradezu ein Schmalspur-Projekt), der allerdings – wie sich ja schon gezeigt hat – beste Chancen an der Kinokasse besitzt.
 
 
Renate Wagner