Notizen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Notizen
 
Tropfenverwirrungen: Wer von seiner Medizin jeweils 30 Tropfen an acht aufeinanderfolgenden Tagen nehmen soll, erwartet natürlich auch, daß der Fläschcheninhalt seine eigene Gebrauchsanleitung kennt und sich auf diese Rezeptur genauso eingestellt hat, wie der Kranke auf die Diagnose des Arztes. Wie bitter ist es, wenn man am Ende der Behandlung feststellen muß, daß die Medizin nach 238 Tropfen versiegt ist und man ohne Erfüllen des angestrebten Tropfenplanes weit entfernt von einer vollständigen Genesung bleibt. Wie soll man denn nach sieben Tagen, an denen man getreu 30 Tropfen auf einen großen Löffel tropfen ließ, damit umgehen, daß am achten Tag zwei Tropfen fehlen? 238 Tropfen sind keine 240 Tropfen. Ist es nicht schon schwierig genug, sich als kranker Mensch seinen Unvollkommenheiten zu stellen, muß dann auch noch die Pharmaindustrie ihren Becher voller Hohn über einen ausschütten und dabei zwei Tropfen einsparen, die man so sehnlichst erwartet hatte? Manche kaufen sich dann wegen der fehlenden Tropfen ein neues Medizinfläschchen, andere leben mit der Gewißheit, daß der Aufbau ihrer Abwehrkräfte an der korrekten Einnahme der Medizin gescheitert ist. Manchmal pfeift man aber auch auf die Widrigkeiten des Alltags, und wenn man dann noch weiß, daß diese Tröpfchenwirkstoffe die Gelassenheit der Menschen stärken sollten, dann ist man doch erstaunt über die kreativen Köpfe in der Arzneimittelindustrie. Manchmal hat das Herauslocken von 30 Tropfen einen ganzen Vormittag in Anspruch genommen.

Typische Peter Handke Sätze:
1. Er wischte sich die Hände an seiner schmutzigen Hose ab.
2. Er wischte sich die Hände an einem der Lindenbäume ab (der Bahnhofsvorsteher). 
3. Er wischte sich die Hände an seinem Hund ab.
4. Er wischte sich die Hände ab am Pullover seiner Frau.
5. Er wischte sich seine schmutzigen Hände nicht ab, sondern schüttelte allen anwesenden Journalisten die Hände (verfaßt in der „Ich“-Form).
 

© Erwin Grosche