Was die Mode aus Männern macht

Sinnfragen

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Was die Mode aus Männern macht
 
Man muß es eigentlich nicht sagen, man sieht´s ja: Spurlos ziehen die meisten Trends an mir vorüber. Oft bemerke ich sie nicht einmal. ich bin zwar dick, aber kein Spielball der Moden. So hat es gedauert, bis ich wahrnahm, was derzeit vor sich geht. Erst in der Werbung, nun schon im Kollegenkreis. Lauter ehrenwerte Männer. Sie tragen Rosa. Rosa? Rosa! Ja, Freunde des gedeckten Zweireihers, wir reden hier nicht vom Käfig voller Narren oder dem Mitropa-Fernsehballett, wir reden von Bundestagsabgeordneten, Wirtschaftsmagnaten, Vorzeige-Journalisten. All denen hat irgendwer gesagt: „Dies Iahr hat man rosa!“ Und solche Männer, Männer an der Spitze, das sind ja keine Zweifler. Und jetzt tragen sie den Schaden davon - in Rosa.
Rosa. Mag sein, daß die Sozialisation in einer Familie, die immer bloß CDU wählte, mich verdorben hat für die Launen der Couture. Aber rosa waren bei uns bloß die Fliesen im Gästeklo und die Nachtjacke der Großtante. Ein Mann mit rosa? Der hätte im Schützenverein nicht mal die Flinten putzen dürfen. Als ich größer war, sah ich an der Uni Plakate: „Rosa Telefon“. Meine Güte, wer stellt sich sowas in den Korridor? Lady Di´s Oma hatte übrigens alles in Rosa. Kleider und Hüte, Pudel und Butler. Sie schrieb Romane, in denen am Ende immer geheiratet wurde. Vermutlich in Rosa.
Wir aber schreiben 2005. Männer, denen der Wind des Manchester-Kapitalismus ins Gesicht bläst, Männer, die Tycoons, Global Player oder wenigstens MdL sind, haben plötzlich rosa Hemden, rosa Schlipse. Es sieht an ihnen, mit Verlaub, aus wie ein langgeklopftes Schnitzel. Aber ein Sakko in Senf wäre vielleicht ganz hübsch dazu.
 
 

© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.