Arts premiers

Arno Bertina – „Mona Lisa in Bangoulap“

von Frank Becker

© 2016 Matthes & Seitz
Arts premiers
 
Was wäre, wenn bei der französischen Kulturverwaltung eines Tages ein Brief aus Bangoulap/Kamerun einträfe, in dem der Fon der Bamileke für seinen Stamm und die Kameruner schlechthin freien Eintritt für das Pariser Museum für außereuropäische Kunst fordert, weil man aus nachvollziehbaren Gründen verweigert, Geld für die Betrachtung der während der Kolonialzeit gestohlenen oder erschwindelten Kunstwerke der eigenen Vorfahren auszugeben? Arno Bertina, der Verfasser der amüsanten kleinen Fabel „Mona Lisa in Bangoulap spinnt den pfiffigen gedanklichen Faden in ironischer Logik bis 2019 fort, läßt ihn zu einer absurden Spirale führen. Die für eine harmlose Geste gehaltene Zustimmung zeitigt Folgen: Stufe für Stufe steigern sich die erhobenen Ansprüche, immer unter der Androhung von Restitutions-Forderungen. Der Wunsch nach Visa-Freiheit für Kameruner und das Verlagen, nun auch Grundlagen-Werke der europäischen Kultur an afrikanische Staaten auszuleihen führen zu immer weiter greifenden Auswüchsen. Man stelle sich vor „Das Floß der Medusa“ von Théodore Géricault im Thronsaal von Bangoulap, wo man „freundschaftlich Bier teilt“ (hier fallen europäische Kuratoren in Ohnmacht). Der Strudel ergreift nun auch die europäischen Staaten und ihre Galerien – zu denen hier auch noch England gehört, weil Arno Bertina 2014 noch nichts vom Brexit wissen konnte. Sollte Italien von Frankreich die Mona Lise zurückverlangen oder mehr, wie Werke Tizians und Bellinis? Bertina lädt amüsant und doch nachdenklich dazu ein, selbst solche Fäden weiterzuspinnen.
 
Beinahe noch faszinierender als Bertinas Vorlage beschäftigt sich die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in ihrem anschließenden klugen Essay „Das Erbe der anderen“ mit der derzeit hochaktuellen Diskussion um Sammlungsgeschichten und Museumsarbeit in der postkolonialen Weltgesellschaft. „Displaced Objects“, „Shared Heritage“ und „Arts premiers“ sind die Stichworte, die noch lange und vermutlich künftig noch intensiver die Gesetzgeber und die Kulturverwalter Europas beschäftigen werden.
 
Arno Bertina – „Mona Lisa in Bangoulap“
Die Fabel vom Weltmuseum
Übersetzung und Nachwort: Bénédicte Savoy
 
© 2016 Matthes & Seitz,75 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Fadenheftung
ISBN: 978-3-95757-346-9
12,- €
Weitere Informationen:  www.matthes-seitz-berlin.de