...und er hat sein helles Licht bei der Nacht

Zepp Oberpichler und Jürgen Post – „Grubenkind“

von Frank Becker

© 2016 Henselowsky Boschmann

...und er hat sein helles Licht bei der Nacht
 
Eine jahrzehntelang alles bestimmende Industriekultur an Ruhr und Emscher stirbt. Mit allem was zu dem in Generationen vom Vater an den Sohn weitergegebenen Beruf des Bergmanns gehört. Die Steinkohleförderung. 2018 ist alles vorbei und das einstige Revier ist ein Fall fürs Museum. Mit der Bergbauzeit im Ruhrgebiet geht ein wesentliches Kapitel der deutschen Sozial- und Kultur-Geschichte, eine große Tradition zu Ende. Kumpel nannten sich die Männer, die unter Tage einfuhren, um auf dem Pütt das „Schwarze Gold“ aus dem Flöz zu brechen, zu fördern. Die Bergleute taten ihre harte, ehrliche Arbeit mit Stolz, mit Respekt vor dem Berg und dem Steiger, und mit gleichem Stolz trugen sie Helm, Grubenlampe und „das Leder vor dem Arsch“.
 
Im Verlag Henselowsky Boschmann ist unter dem Titel „Grubenkind“ ein ganz kostbares Buch mit Texten und Fotos, mit der ganzen Magie des Bergbaus erschienen. Ein Abgesang. Ein Erinnerungsbuch. Jürgen Post war Bergmann, ist so ein „Grubenkind“. Mehr als 30 Jahre war er auf dem Pütt, zuletzt als Steiger. Diese Zeit hat in eindrucksvollen Schwarz/Weiß-Fotografien von Menschen und Zechen, Fördertürmen und Kauen, über und unter Tage dokumentiert, denen Zepp Oberpichler wie schon seinerzeit den Fotos von Jürgen Kassel in „Heartzland“ punktgenaue Texte in Lyrik und Prosa an die Seite stellt. Ein gerüttelt Maß Wehmut kann bei diesem Thema nicht ausbleiben, und das darf es auch – denn wir verlieren mit dem Niedergang der Montanindustrie ein großes Stück von dem, was dem Ruhrgebiet seinen Charakter und ein unwiederbringliches, einzigartiges Heimatgefühl gab. „Grubenkind“ ist ein rundum gelungenes, wichtiges Buch und bekommt unsere Auszeichnung, den Musenkuß.
 

Foto © Jürgen Post
 
Schicht
 
Die letzte Schicht, der letzte Tag. Tagelang, wochenlang, monatelang, ja ewig hatten Wolle, Hotte und Enno darauf hingearbeitet. Endlich ist der Scheiß dann vorbei, hatten sie sich jeden Nachmittag, als es nach Hause ging, zugerufen. Vor drei Monaten noch ziemlich laut, vor zwei Wochen schon leiser, wenige Tage zuvor nur mehr flüsternd. Und heute wollte das nicht mehr über die Lippen kommen. Der letzte Tag, die letzte Schicht. Bürgermeister, Arbeitsminister, der Stadtrat komplett, alle waren sie da. Wollten Grußworte richten, wollten Danke sagen, wollten die Arbeiter für ihren Einsatz loben, wollten die Zeche hochleben lassen. Wolle, Hotte und Enno hielten es nicht mehr aus, gingen stumm zum langen Kalle hin, der das Büdchen gegenüber Tor eins betrieb. Stellten sich ohne ein Wort an den runden Tisch, bekamen jeder eine Flasche Export und einen Kurzen. Stießen wortlos an und heulten los, wie die Schloßhunde.

 
Zepp Oberpichler und Jürgen Post – „Grubenkind“
Porträt der Bergbauzeit im Ruhrgebiet in Bildern und Texten
© 2015 Verlag Henselowsky Boschmann, 64 Seiten, gebunden, 24,5 x 17 cm, mit 29 ganzseitigen, teils nachkolorierten s/w-Fotografien, beiliegend eine CD mit den beiden Liedern „Ich bin ein Ruhrpottkind“ und „Glück auf, Glück auf (Das Steigerlied) mit den „Grubenkindern“ (das sind Zepp Oberpichler und Werner Boschmann)  -  ISBN 978-3-942094-53-5
9,90 Euro
Weitere Informationen:  http://www.vonneruhr.de